Saemtliche Werke von Jean Paul
wegen »Hof- und guter Ton« abwechselnd gebrauchen) wird stets den Blitz der Wahrheit durch Pointen so zuzuleiten und zu entkräften wissen, wie den elektrischen durch Spitzen . Der wirkliche Sopranist schneidet aus dem ewigen Zirkel der Wahrheit bunte Segmente und Bogen aus, die auf nichts hängen und ruhen, wie die farbigen herausgeschnittenen Fragmente des Regenbogens. Er ists, von dem man fordert, daß er wie Spiegelquecksilber alles, was vor ihm vorüberrennt, fremde Charaktere und eigne Meinungen, abfärbend abschalte und alles Äußere zeige und alles Innere berge. Wird es für einen Weltmann genug sein – es reiche immer für einen Gelehrten zu –, wenn er ein Feld ist, das satirische Dornen umstecken , und müssen diese nicht vielmehr statt des Raines alle Furchen erfüllen und mehr die Frucht als der Zaun des Ackers sein? Und wer anders als er und die Schwefelleber – die sich aber nur auf Metalle einschränkt – muß alle Heilige und alle Teufel schwarz zu präzipitieren wissen? – Allein Leute, die so hohe Forderungen zu machen wagen, bedenken nicht immer, daß nur ein Latitudinarier und Indifferentist aller Wahrheiten sie befriedigen könne, d. h. ein Mann, der gänzlich sich über den Katheder-Eiländer erhebt, welcher vielleicht jahrelang die nämlichen Meinungen und Hosen behält. Nichts verengen den Tanzplatz des Witzes so sehr, als wenn eigne Meinungen und Wahrheitliebe darin als feste dicke Säulen stehen. – –
Dieses sind eben die Mittel, wodurch Weltleute sowohl andre als sich selber im feinsten lächerlichen Lichte darzustellen wissen. Der Hofmann kann allerdings den deutschen Komödienstellern vorwerfen, daß sie das attische Salz und das feine Komische, das er stets an seiner Person zu haben weiß, unter ihren Schwielen-Händen meistens verfliegen lassen. Er, der Hofmann, macht sich stets auf eine feine, nie niedrige Weise lächerlich und würzet mit einem echten hohen Komischen, das seinem hohen Stande anpaßt, seine Person leicht; aber er kann fragen: »Studieren mich die deutschen Tröpfe, oder salzet Terenz, den sie studieren, seine Charaktere so delikat wie ich meinen eigenen?«…
Ich denke, durch meine Verirrungen hab’ ich den Umstand in meiner Geschichte zureichend motiviert, daß Gustav am Ende, weil er niederlag unter so schnell witzigen Damen und unter dem zu bescheidnen Gefühle fremder Talente und etwa, weil von ihm die Residentin durch ihre Gesellschaft und Beata durch ihren Herrn Vater abgezogen wurde – sich gar fortmachte. Aber draußen richtete sich unter dem kühlenden Nachttau die hängende Blume erfrischt wieder auf; im stillen Lande ging er vor dem viereckigen Schimmer, den die Wandleuchter ins Gras herunter warfen, ohne Sehnen vorüber und drehte sich rund umher, um alle Wände des weiten schwarzgemalten Ballhauses, wo das Schicksal den Sonnen-Ball in große und den Erdball in kleine Kreise wirft, ins Auge zu nehmen. Als er hier den großen Schattenriß des Tages, die Nacht, wie den einer weggegangnen Freundin, kühlend und tröstend an seinem Busen hatte: so dachte er, aber ohne Stolz: »O zu dir, große Natur, will ich allzeit kommen, wenn ich mich unter den Menschen betrübe; du bist meine älteste Freundin und meine treueste, und du sollst mich trösten, bis ich aus deinen Armen vor deine Füße falle und keinen Trost mehr brauche.«….
»Können Sie mich nicht berichten, wo hier der junge Herr von Falkenberg logiert?« redete ein Nachtbote ihn an. Er überbrachte ihm einen Brief, den er eilig im Fixsternlicht der fernen Wandleuchter durchlief. Aber sie schienen heute lauter trübe Auftritte beleuchten zu sollen. Amandus hatte ihm darin auf dem Deckbette seines Krankenlagers so geschrieben:
Einunddreißigster oder XXIIII. Trinitatis-Sekto r
Das Krankenlager – die Mondfinsternis – die Pyramide
»Wenn du wieder mein Freund geworden bist: so gehe zu deinem, der bald sterben wird. Söhne dich aus mit mir, eh’ ich in das ewig stille Land ziehe, wie wir das letztemal taten, eh’ wir in das irdische stille Land hinausgingen. Ach unaussprechlich Geliebter! ich habe dich zwar oft beleidigt, aber allezeit geliebt! O komm, lasse nicht den kurzen Atem meiner brechenden Brust, der auf dieser Erde aus lauter unerfüllten Seufzern bestand, mit dem letzten vergeblichen Seufzer nach dir versiegen. Du sahest mich das erste Mal, als meine Augen blind waren; sieh mich zum letzten Male, wenn sie es wieder werden!« –
Dieses Blatt riß ihn in dieser
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