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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Rolle von Beata) konnte also die Krönung nicht von sich, wie es schien, abwenden – indessen bat sie ihren Bruder Henri (Gustav wars), der sie besonders liebte und der seit seiner Kindheit aus ihrem Hause durch seine Reisen weggewesen, diesen bat sie um Sieg in diesem uneigennützigen Wettstreite. Er suchte sie zum entgegengesetzten Siege zu bereden; endlich aber, da er die Unerbittlichkeit ihrer schwesterlichen Liebe so entschieden sah, versprach er, für eine rechte Belohnung ihr die ihrige zu ersparen. »Aber du mußt noch größere Liebe für mich haben«, sagt’ er; – »die schwesterliche«, sagt sie; – »eine noch stärkere«, sagte er; – »die freundschaftlichste«, sagte sie; – »eine noch viel stärkere«, sagt’ er; –»weiter gibts keine größere«, sagte sie; – »o doch! ich bin ja dein Bruder nicht«, sagt’ er und fiel mit liebetrunknen Augen vor ihr nieder und gab ihr ein Papier, das sie aus ihrem bisherigen Irrtum zog und sie dafür in eine kleine Freuden-Ohnmacht stürzte. Sie erschienen alle vier vor dem Gutsherrn und Kranz-Kollator (der Fürst spielte diese Rolle sogar auf dem – Theater), und jede kam seiner Wahl durch eine Bitte und Lobrede für ihre Schwester und durch feine Invektiven auf sich selber zuvor. Der kokettierende Wicht Perrin quästionierte: sollte die Liebe andre Rosen brauchen als ihre eigne? – Marie gab eine fliegende Schilderung von den Vorzügen, denen eine solche Bekrönung gebühre und die zum Teil feine Züge aus Bousens Bilde waren. Der Gutsherr sagte: diese schwesterliche Unparteilichkeit, die so sehr zu bewundern sei wie die Verdienste, die sie zu belohnen suche, verdiene zwei Rosenkronen, eine, um belohnt zu werden, und eine, um selber zu belohnen; (niemand, fiel der scheinbar den Damen und wirklich dem Fürsten schmeichelnde Oefel ein, teilt Kronen schöner aus, als wer sie selber trägt;) und sie würden sich von ihm in nichts als in der Unparteilichkeit und Schönheit unterscheiden, wenn sie an seiner Statt vielleicht wie er wählten, wem der Rosenkranz, eh’ der Schmetterling von ihm flöge – einer von Brillanten war mit einer Zitternadel in die größte Rose gesteckt –, aufzusetzen sei…. »Unserer Rosen-Königin!« riefen die Schwestern und brachten den Kranz der Residentin hin.
    So weit das Drama. Oefel war nichts lieber und glücklicher als die schmeichelnde Folie des andern. Übrigens sah sein Stück wie eine Idylle von Fontenelle aus. Die Phantasie, die den von der Kultur dünn geschliffnen Leuten gefallen will, muß schimmern, aber nicht brennen, muß das Herz kitzeln, aber nicht bewegen; die Äste einer solchen Phantasie werden nicht von schweren gedrängten Früchten , sondern von Schneelast niedergebogen. An solchen Hof-Poeten und an Ohrwürmern sind die Flügel gleichsam unsichtbar und winzig, aber beide finden leichter die Wege zum Ohr . An deutschen Gedichten ist nichts; hingegen die meisten französischen riechen nicht nach der Studier- und Sparlampe, sondern eher nach parfümierten Strumpfbändern, Handschuhen u. s. w., und je weniger sie haben, was den Menschen interessiert, desto mehr haben sie, was den Weltmann reizt, weil sie nicht mehr die Natur und Himmel und Hölle, sondern ein paar Besuchzimmer abmalen und so nicht ungeschickt in immer engere Windungen des Schneckenhauses sich zurückdrängen.
    Oefel war zugleich Theater-Dichter, Spieler und Rollen-Schreiber. Er zog aus dem Drama die Rolle Beatens heraus, die er mit den feinsten Anspielungen auf ihr gegenseitiges Liebeverständnis (dacht’ er) oder auf ihr einseitiges (denk’ ich) in die Welt gesetzet hatte. Die zärtlichsten Winke hatt’ er in den Stellen, wo er mit Beata zusammen spielte, hinein versteckt. Er zog deswegen unter manche feine Liebeerklärung und Empfindung bei dem Abschreiben eine exegetische Linie und bezifferte verständig seinen Generalbaß . »Über tausendmal wird die Schalkhafte das überlesen«, sagt’ er zu sich.
    Darauf überreichte er ihr bald nach ihrer Ankunft ihre Rolle mit weit mehr scheuer Ehrfurcht, als er selber wußte. Zum Unglück für unsern guten dramatisierenden Hasen fiel Beata in zwei Fehler auf einmal aus einer Ursache. Die Ursache war bloß, der Amor hatte in ihrem Herzen sein Laboratorium aufgerichtet und hatte seine chemischen Ofen und alles hineingesetzt: daraus mußte ihr erster Fehler entstehen, daß sie schöner aussah als sonst ohne diese Wärme; denn jede Empfindung und jede innere Streitigkeit nahm auf ihrem

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