Saemtliche Werke von Jean Paul
die zwei Seelen, die sich leichter als ihre Körper fanden, bei der Residentin zusammen. Das Taglicht, die bisherige Trennung, die neue Lage und die Liebe machten an beiden alle Reize neu, alle Züge schöner und ihren Himmel größer als ihre Erwartungen – aber schauet euch weder zu viel noch zu wenig an, man blickt auf euer Anblicken! Oder tut es nur: einer Bouse verbirgst du es doch nicht, Gustav, daß dein Auge, das der Scharfsinn nicht zusammenzieht, sondern die Liebe aufschließet, immer nur bei benachbarten Gegenständen sich aufhält, um ein Streiflicht von ihr wegzufangen; – es hilft auch dir nichts, Beata, daß du es mehr wie sonst vermeidest, ihm nahe zu stehen und ihn zu veranlassen, daß seine Stimme und seine Wangen seine Verräter werden! Es half dir, wie du selber sahest, nichts, daß du der Wiederholung des »Idolo del mio cuore« bei seiner Ankunft auszuweichen suchtest; denn bat ihn nicht die Residentin, deiner Stimme auf dem Klaviere mit den Fingern nachzufließen und seinen innern Freuden-Sturm durch den Schimmer des Auges und durch den Druck der Tasten und durch die Sünden gegen den Takt zu offenbaren? – Diejenigen meiner Leser, die die Residentin frisiert oder bedient oder gesprochen oder gar geliebt haben, können mir es gegen andre Leser bezeugen, daß unter anderen Kaminverzierungen ihres Toilettenzimmers – weil die Großen nichts als Zieraten essen, bewohnen, anziehen, besitzen und beschlagen etc. mögen – auch Schweizerszenen waren und unter diesen eine tragantene Kopie des Eremitenberges: auf diesen Freuden-Olymp stiegen vor den Augen Gustavs Beatens ihre nicht mehr, sooft diese auch vorher den Berg beschienen hatten – endlich befeuchteten sich auch beider Augen, wenn Amandus’ Name beide durchtönte, mit einer süßern lebhaftern Rührung, als die über einen Dahingegangnen ist. – – Kurz sie würden sich wie alle Liebende weniger verraten haben, wenn sie sich weniger verborgen hätten. Die Residentin schien heute, was sie allemal schien: sie hatte eine stille, denkende , nicht leidenschaftliche Verstellung in ihrer Gewalt, und auf ihrem Gesicht sah man nicht die falschen Mienen die aufrichtigen erst verjagen. – Das schönste Gemälde aus dem Nachlasse des Russen war nicht zu Hause, sondern unter dem Kopierpapiere des Fürsten. –
So stumm und doch so nahe muß Gustav der Geliebten gegenüber bleiben; nur mit drei Worten, nur mit einem Druck der ziehenden Hand wenn er seine von Empfindungen elektrisierte Seele zu entladen wüßte! – Warum wollen alle unsere Empfindungen aus unserem Herzen in ein fremdes hinüber? – Und warum hat das Wörterbuch des Schmerzens so viele Alphabete und das der Entzückung und der Liebe so wenige Blätter? – Bloß eine Träne, eine drückende Hand und eine Singstimme gab der Welt-Genius der Liebe und der Entzückung und sagte. »Sprecht damit!« – Aber hatte Gustavs Liebe eine Zunge, als er (bei einem Abwenden der Residentin auf 7 Sekunden) im Spiegel, dem er am Klavier gegenübersaß, mit seinen dürstenden Augen das darin flatternde Bild seiner teuren Sängerin küßte – und als das Bild ihn ansah – und als das blöde Bild vor dem Feuerstrom seines Auges das Augenlid niederschlug – und als er sich plötzlich nach dem nahen Urbild des wegblickenden Farben-Schattens umdrehte und sitzend in das gesenkte Auge der stehenden Freundin mit seiner Liebe eindrang und als er in einem Augenblicke, den Sprachen nicht malen, sich nicht einmal in eine , nicht einmal in einen Laut ergießen durfte? – Denn es gibt Augenblicke, wo der tief aus der fremden Seele emporgehobne Schatz wieder zurücksinkt und im Innersten verschwindet, wenn man redet – ja wo das zarte, bewegliche, schwimmende, brennende Gemälde der ganzen Seele sich kaum in oder unter dem durchsichtigen Auge wie das zerstiebende Pastellgebilde unter dem Glase beschützt….
Deswegen wars meiner Einsicht nach recht wohl getan, daß er zu Hause sofort einen Liebebrief verfaßte. Durch einen solchen Assekuranzbrief des Herzens verbriefte der Lebensbeschreiber von jeher seine Liebe im eigentlichen Sinne. Aber als ihn Gustav fertig hatte, wußt’ er nicht, wie er zu insinuieren sei, auf welcher Penny-Post. Er trug ihn so lange herum, bis er ihm nicht mehr gefiel – dann schrieb er einen neuen bessern und trug ihn wieder so lange bei sich, bis er den besten schrieb, den ich im nächsten Sektor hereinschreiben will. Bei dieser Gelegenheit kündige ich dem Publikum auf
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