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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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wie wir an Äsop, Pope, Scarron, Lichtenberg und Mendelssohn sehen, haben viel Witz. Nun zieht der Weltmann aus den starken Fässern unserer Vorfahren geschickt den Spiritus auf kleine Körper-Flaschen, und solche Einschnitte und optische Verkürzungen und Kuren des Leibes machen unfähig, etwas anders zu werden als witzig oder höchstens stupid: so kann eine Flöte, in die Risse kamen, keine andre Töne von sich geben als feine und hohe . Witz wird aber bekanntlich in der großen Welt, wenn nicht mehr, doch ebensoviel geschätzt wie Unmoralität. – Drittens: wie die alten Patriarchen darum ein langes Leben bekamen, um die Erde zu bevölkern, so haben sich viele Kosmopoliten in der nämlichen Absicht ein kurzes vorgenommen und gern das Leben von andern Menschen mit einem Curtius-Sturz in den tödlichen Schlund erkauft. Es ist aber noch die Frage, ob ich recht habe. – Die vierte Ursache kenn’ ich aus geheimen mystischen Gesellschaften, wo eben jene Menschen-Segmente sie kennen lernten. Heutiges Tages muß jede Seele von – Stand desorganisiert und entkörpert werden. Hier hat man nun nicht mehr als zwei ganz verschiedne Operationen. Die kürzeste und schlechteste meines Erachtens ist die, daß sich der Mensch – aufhenkt und daß so die Seele den Körper von sich wie eine Warze abbindet . Ich wurde keinen Großen deshalb tadeln, wenn ich nicht wüßte, daß er die weit bessere und sanftere Operation vor sich habe, wodurch er seinen Leib gleichsam als die Form , worein die geistige Statue gegossen ist, bloß gliedweise ablösen kann. Ich will hier nicht in den Fehler der Kürze, sondern lieber in den entgegengesetzten fallen. Also: der Körper ist nach Philosophen, die auch eine Seele haben, bloß ein Werkzeug, ihre und unsre auszubilden und sie an die Entbehrung dieses Werkzeugs zu gewöhnen. Die Seele muß alle Fäden, die sie an den Klumpen schnüren, nach und nach zerfressen und abbeißen. Er ist ihr das, was den Kindern, die schwimmen lernen, der korkene Küraß ist: täglich muß sie diesen Küraß zu verkleinern suchen, um endlich ohne ihn zu schwimmen. Der philosophische Mann von Welt und das Mitglied geheimer desorganisierender Unionen schafft also von diesem Schwimm-Panzer anfangs nur das Fleisch an Beinen und Backenknochen beiseite. Das ist noch wenig. Darauf brennt er durch Glühfeuer Gehirn, Nerven und anders Zeug weg, weil sie das Küchenfeuer aushielten. Die Haare oder das menschliche Rauchwerk bringt jeder ohne Mühe weg. Der wichtigste Schritt bei dieser Küraß-Sektion ist der, daß man ohne das Barbiermesser des Origenes so viel bewerkstellige – nur sanfter – wie er. Ist das vorbei: so hat man zu jener völligen Ertötung nicht mehr weit, wo der ganze Küraß rein herunter ist und wo die Seele im Meere des Seins endlich schwimmen gelernt hat, ohne von ihrem Schwimmkleid nur so viel, als man zum Verkorken einer Flasche bedarf, noch um sich zu haben. Nachher wird man beerdigt. So wenigstens trägt man in geheimen Gesellschaften von Ton die menschliche Entkörperung vor.
    Diese zerbrochne Gesellschaft deckte unsern und jeden Hof so schön wie zerbrochne Porzellan-Gefäße holländische Beete; zweitens hatte sie die höflichste Art von der Welt, grob zu sein. Wäre unter diesen Leuten ein gewisses je ne sais quoi nicht der Unterschied zwischen Laune und Grobheit, zwischen Feinheit und Beleidigung: so fehlte er.
    Ich sagte oben, es war Zeit, daß unser Paar ankam, des Herrn von Oefels wegen. Denn das Geburtfest der Residentin rückte heran, gleichwohl hatte noch kein Mensch eine Seite von seiner Rolle memoriert. Die Leser haben noch ebensowenig vom Geburttag-Drama im Kopfe als die Spieler; daher soll ihnen hier ein dünner Absud dieser Oefelschen Pflanze vorgesetzt werden.
     
     
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    Dekokt aus dem Geburttag-Drama
    In einem französischen Dorfe waren zwei Schwestern so gut, daß jede verdiente, das Rosenmädchen zu werden, und so uneigennützig, daß jede wollte, die andre würd’ es. Marie hieß die eine und Jeanne die andre. Am Tage vor der Austeilung der Preismedaille von Rosen stritten sie sich darüber, wer sie – ausschlagen sollte: denn sie wußten von recht guter Hand, daß bloß auf eine von ihnen die Rosenkrone fallen würde. Jeanne – von der Ministerin gespielt – wischte durch den schönen Einfall unter der Laubkrone hinweg, daß sie ihren Liebhaber Perrin – Oefel stellte den vor – öfter und öffentlicher um sich hatte, als eine Rosen-Kompetentin soll. Marie (die

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