Saemtliche Werke von Jean Paul
Ostern meinen »expediten und allzeitfertigen Liebebrief-Steller« an, den alle Eltern ihren Kindern bescheren sollten.
Apropos! Der Pelz-Kurierstiefel und der Beschlag mit Senf und die Eis-Krone haben glücklich mein Blut in die Füße gefüllet und dem Kopfe nicht mehr davon gelassen, als er haben muß, um für ein deutsches Publikum anmutige Ab- oder Ausschnitte aufzusetzen.
Siebenunddreißigster oder heil. Weihnacht-Sekto r
Liebebrief – Comédie – Souper – bal paré – zwei gefährliche Mitternachtszenen – Nutzanwendung
Ich habe in dieser fröhlichen Zeit keinen recht fröhlichen Sinn: vielleicht weil mein auseinander wollender Körper so wenig wie eine Längen- und Seeuhr richtig geht – vielleicht liegt mir auch der Inhalt dieses Sektors im Kopfe – vielleicht schleicht auch, beim Anblick der allgemeinen Kinderfreude, das Blut so traurig fort zwischen dem Wintergrün und Herbstflor jener Erinnerung, wie es sonst war, wie die Freuden des Menschen dahinrollen, wie sie ihre Entfernung von uns durch einen aus fernen Ufern herüberblinkenden Widerschein bezeichnen und wie unsre längsten Tage uns selten so viel geben, als dem Kind der kürzeste oder die Christnacht im Genießen oder Hoffen gibt. – –
Von Gustavs herzlichem Brief hätte ich vor vierzehn Tagen nicht so leichtsinnig reden sollen, als ich tat. Er heißt so:
*
»Eh’ ich dieses schrieb, gingen Sie, unaussprechlich Teuere, mit Lauren den Park hinauf, um die ermattende Sonne, die zwischen zwei großen Wolken herabschien, noch ein wenig zu genießen; zu Ihren Seiten flogen Wolkenschatten dahin, aber mit Ihnen ging der Sonnenschein. Ich dankte dem Laube, daß es zu Ihren Füßen lag und mir Sie nicht verdecken konnte; aber ich hätte alle dornichte Blätter von der Stechpalme pflücken wollen, hinter denen Sie verschwanden und von mir gingen. ›O könnt’ ich ihr‹ – dacht’ ich – ›den herbstlichen Weg mit jungen Blumen und Schmetterlingen bestreuen, könnt’ ich sie mit Blüten und Nachtigallen umzingeln und vor ihr die Berge und die Wälder mit dem Frühling überdecken: ach! wenn sie dann vor Freude bebte und mich ansehen und mir danken müßte…‹ Aber diese Blüten, diese Nachtigallen, diesen Frühling haben Sie mir gegeben; Sie haben über mein Leben einen ewigen Mai gesandt und aus einem Menschen-Auge Freudentränen gepresset – allein was vermag ich zu geben? – Ach, Beata, was hab’ ich Ihnen zu geben für dieses ganze Elysium, womit Sie das schwarze Erdreich meines Lebens durchwinden und überblümen, und für Ihr ganzes, ganzes Herz? – – Meines – – das hatten Sie ja schon ohne das, und weiter hab’ ich nichts; für alle schöne Stunden, für alle Ihre Reize, für alle Ihre Liebe, für alles, was Sie geben, hab’ ich nichts als nur dieses treue, glückliche, warme Herz….
Ja, ich habe nur dieses; aber wenn der göttliche Funke der höchsten Liebe im Menschen-Herzen glühen kann, so ruht er in meinem und brennt für die, die ich nur lieben, aber nicht belohnen kann. – Du höherer Funke wirst in meinem Herzen für sie fortglimmen, wenn es Tränen überschwemmen, oder Unglück zusammendrückt, oder der Tod einäschert…. Beata! auf der Erde kann kein Mensch dem andern sagen, wie er ihn liebe. Die Freundschaft und die Liebe gehen mit verschlossenen Lippen über diese Kugel, und der innere Mensch hat keine Zunge. – Ach, wenn der Mensch draußen im ewigen Tempel, der sich bis an die Unendlichkeit hinaufwölbt, mitten im Kreise von singenden Chören, heiligen Stätten, opfernden Altären, vor einem Altare betäubt niederfallen und beten will: o so sinkt er ja so gut wie seine Träne zu Boden und redet nicht! – Aber die gute Seele weiß, wer sie liebt und schweigt, sie übersieht das stille Auge nicht, das sie begleitet, sie vergisset das Herz nicht, das stärker klopft und doch nicht reden kann, und den Seufzer nicht, der sich verbergen will. – Aber, Beata, doch! – wenn einmal dieses Auge und dieses Herz ihr Schweigen geendigt, wenn sie in der seligsten Stunde mit allen Kräften der liebenden Natur zur geliebten Seele haben sagen dürfen: ›Ich liebe dich‹: so ists hart und schwer, wieder stumm zu werden, es tut so wehe, das emporgehobne flammende drängende Herz wieder in eine enge kalte Brust zurückzudrücken – dann will im Innersten die stille Freude in stillen Kummer zerrinnen und schimmert traurig in diesen, wie der Mond in den Regenbogen, den die Nacht
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