Saemtliche Werke von Jean Paul
seine Worte unter – endlich wandte er sich, hochaufglühend, von mir gegen das Fenster und erzählte mir, auf einen Ort blickend, seinen Fall, den er von sich selbst herunter getan. – Darauf, um sich an sich selber durch seine Beschämung zu rächen, ließ er sich ansehen, hielt es aber nicht länger aus, als bis er zum Namen Beata kam: hier, wo er mich zum ersten Male vor den gewichnen Blumengarten seiner ersten Liebe führte, mußt’ er sich das Gesicht zuhüllen und sagte: »O ich war gar zu glücklich und bin gar zu unglücklich.«
Die Täuschung der Residentin, welche ihn für den Bruder Beatens gehalten, konnt’ ich ihm leicht aus der Ähnlichkeit der Bildnisse von ihm und dem ersten Sohne ihrer Mutter erklären. – Zuerst sucht’ ich ihm den wichtigsten Kredit wieder zu geben – den, den man bei sich selber finden muß: wer sich keine moralische Stärke zutrauet, büßet sie am Ende wirklich ein. Sein Fall kam bloß von seiner neuen Lage ; an einer Versuchung ist nichts so gefährlich als ihre Neuheit ; die Menschen und die Pendul-Uhren gehen bloß in einerlei Temperatur am richtigsten. – Übrigens bitt’ ich die Romanenschreiber, die es noch leichter finden, als das Gefühl und die Erfahrung es bestätigen, daß zwei ganz reine seelenvolle Seelen ihre Liebe in einen Fall verwandeln, nicht meinen Helden zum Beweise zu nehmen; denn hier mangelte die zweite reine Seele; hingegen die Vereinigung aller Farben von zwei schönen Seelen (Gustavs und Beatens) wird immer nur die weiße der Unschuld geben.
Sein Entschluß war der, von Beaten sich auf immer in einem Briefe abzureißen – das Schloß mit allen Gegenständen, die ihn an seine schönen Tage oder an seinen unglücklichen erinnerten, zu verlassen – den Winter bei seinen Eltern, die ihn allemal in der Stadt zubrachten, zu verleben oder zu verseufzen und dann im Sommer mit Oefel die Karten zum Spiel des Lebens von neuem zu mischen, um zu sehen, was es noch, wenn die Seelenruhe verloren ist, zu gewinnen oder einzubüßen gäbe…. Schöner Unglücklicher! warum legt gerade jetzt deine gegenwärtige Geschichte, da ich mit ihr meine geschriebne zusammenführen könnte, Flöre um? Warum fallen gerade deine kurzen trüben Tage in die kurzen trüben des Kalenders hinein? O in diesem Trauer-Winter wird mich keine Himmelleiter des Enthusiasmus mehr in die Höhe richten, um die Blüten-Landschaft deines Lebens zu überschauen und abzuzeichnen, und ich werde wenig von dir schreiben, um dich öfter in meine Arme zu nehmen!
Und ihr entsetzlichen Seelen, die ihr einen Fehltritt, an dem Gustav sterben will, unter eure Vorzüge und eure Freuden rechnet, die ihr die Unschuld nicht, wie er, selber verliert, sondern fremde mordet, darf ich ihn durch eure Nachbarschaft auf dem Papier besudeln? – Was werdet ihr noch aus unserem Jahrhundert machen? – Ihr gekrönten, gestirnten, turnierfähigen, infulierten Hämlinge! Davon ist die Rede nicht und ich hab’ es nie getadelt, daß ihr aus euren Ständen die sogenannte Tugend (d. h. den Schein davon), die ein so spröder Zusatz in euren weiblichen Metallen ist, mit so viel Glasfeuer, als ihr zusammenbringen könnt, herausbrennt und niederschlagt – denn in euren Ständen hat Verführung keinen Namen mehr, keine Bedeutung, keine schlimme Folgen, und ihr schadet da wenig oder nicht – aber in unsere mittleren Stände, auf unsere Lämmer schießet, ihr Greif- und Lämmergeier, nicht herab! Bei uns seid ihr noch eine Epidemie (ich falle, wie ihr, in eine Vermischung, aber nur der Metaphern), die mehr wegreißet, weil sie neuer ist. Raubet und tötet da lieber alles andre als eine weibliche Tugend! – Nur in einem Jahrhundert wie unsers, wo man alle schönen Gefühle stärkt, nur das der Ehre nicht , kann man die weibliche, die bloß in Keuschheit besteht, mit Füßen treten und wie der Wilde einen Baum auf immer umhauen, um ihm seine ersten und letzten Früchte zu nehmen. Der Raub einer weiblichen Ehre ist so viel als der Raub einer männlichen, d. h. du zerschlägst das Wappen eines höhern Adels, zerknickst den Degen, nimmst die Sporen ab, zerreißest den Adelbrief und Stammbaum; das, was der Scharfrichter am Manne tut, vollstreckest du an einem armen Geschöpfe, das diesen Henker liebt und bloß seine unverhältnismäßige Phantasie nicht bändigen kann. Abscheulich! – Und solcher Opfer, welche die männlichen Hände mit einem ewigen Halseisen an die Unehre befestigt haben, stehen in den Gassen Wiens
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