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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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hier fälschlich für keinen aus, oder vielmehr, hier kündige er ihr seine Liebe auf. Sein fragendes Erstaunen hing an ihrem Munde und schwebte ängstlich zwischen seiner Zunge und seinem Ohre. Sie fuhr gleichgültig fort: »Freilich sagt man, daß leibliche Brüder und Schwestern sich selten lieben; aber ich bin die erste Ausnahme; Sie werden die zweite sein.« Sein Erstaunen wurde Erstarren….
    Es würde dem Publikum auch so gehen, wenn ich nicht einen Absatz machte und es belehrte, daß die Residentin gar wohl die Lüge geglaubt haben kann (im Grunde muß), die sie ihm sagte. – Leute ihres Standes, denen das Furioso der Lustbarkeiten-Konzerts immer in die Ohren reißet, hören unebenbürtige Neuigkeiten nur mit tauben oder gar halben – sie kann mithin noch leichter als der Leser (und wer steht mir für den ?) den verlornen Sohn der Röperin und des Falkenbergs mit dem gegenwärtigen der Rittmeisterin und des Falkenbergs vermengst haben. – Ihr bisheriges Betragen ist so wenig wider meine Vermutung, als das bisherige des angeblichen Geschwisterpaars gegen ihre war; gleichwohl kann ich mich verrechnen.
    Dieses Verrechnen wird aber durch ihr weiteres Betragen ganz unwahrscheinlich. Seine Verlegenheit gebar ihre; sie bedauerte ihre Voreiligkeit, ein Geschwisterpaar für glücklich und liebend gepriesen zu haben, das sich meide und ungern von seinen Verhältnissen spreche. Sie verbarg mit ihren Mienen ihre Absicht nicht, das Gespräch abzulenken, sondern zeigte sie mit Fleiß; aber zu ihrem Kummer, keinen Bruder zu haben, gesellete sich der Kummer, daß Gustav zwar eine Schwester habe, aber nicht liebe, und sie drückte ihre Sympathie mit dem ähnlichen Unglück auf ihrer Laute immer schöner und leiser aus. Gustavs getäuschte Seele, auf der noch das heutige Fest mit seinem Glanze stand, überzogen die heftigsten und unähnlichsten Wogen – Mißtrauen kam nie in sein Herz, ob er gleich in seinem Kopfe genug davon zu haben meinte – jetzt hatt’ er die Wahl zwischen dem Throne und dem Grabe seiner heutigen Freude.
    Denn starke Seelen kennen zwischen Himmel und Hölle nichts – kein Fegefeuer , keinen limbus infantum.
    Die Residentin entschied sein Schwanken. Sie nahm sein Mienen-Chaos (- oder schien es, weil ich nicht das Herz habe, der Schöppenstuhl und die letzte Instanz so vieler tausend Leser zu sein –) für die doppelte Verlegenheit und Betrübnis über die Kälte, womit seine (angebliche) Schwester ihn behandle, und über seine Familiengeschichte. Sie hatte bisher in seinen Augen ein Sehnen gefunden, das schönere Reize suchte als die übrigen Hof-Augen – sie hatte den Morgen, wo er Amandus’ Grab erbat, und die Augen voll Liebe, die er vor ihr trocknete, in ihrem gefühlvollen Herzen aufbewahrt – folglich goß sie den zärtlichsten Blick auf seinen heißen – zog die zärtlichste Stimme ihrer sympathetischen Brust aus ihren Lauten-Saiten – wollte zuhüllen ihr pochendes Herz – und konnte nicht einmal sein Schlagen verstecken – und fiel, als er die Bewegung des heftigsten Affektes machte, verloren, hingerissen, mit zitterndem Auge, mit überwältigtem Herzen, mit irrender Seele und mit dem einzigen großen langsamen, tief heraufgeseufzeten Laute: »Bruder!!« an – ihn.
    Er an sie!… Sie fühlte das erstemal in ihrem Hofleben eine solche Umarmung; er das erstemal eine empfangne ; denn an Beatens reinem Herzen hatt’ er ihre Arme nie gefühlt. O Bouse! hättest du ihr doch geglichen und wärest eine Schwester geblieben! Aber – – du gabest mehr, als du bekamest , und reizetest zum Nehmen – du rissest ihn und dich in einen verfinsternden Gefühl-Orkan – an deinem Busen verlor er dein Gesicht – dein Herz – sein eignes – und als alle Sinne mit ihren ersten Kräften stürmten, alles, alles…..
    Schutzgeist meines Gustavs! Du kannst ihn nicht mehr retten; aber heil ihn, wenn er verloren ist, wenn er verloren hat, alles, seine Tugend und seine Beata! Ziehe, wie ich, den traurigen Vorhang um seinen Fall und sage sogar zur Seele, die so gut ist wie seine: »Sei besser!«
    Ehe wir zur Seele gehen, der ers sagt, zu Beata, wollen wir wenigstens einen einzigen Verteidiger für den armen Gustav vernehmen, damit man ihn nicht zu tief verdamme. Der Verteidiger gibt bloß dieses zu bedenken: wenn die Weiber so leicht zu besiegen sind, so ist es, weil in allen Krieg-Verhältnissen der angreifende Teil die Vorteile vor dem angegriffenen voraushat; kehret sich aber einmal der Fall um,

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