Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
Vom Netzwerk:
Westentasche, um die geflohene Hand zu ersetzen –»sind unglücklich gefallen. Die Personen, die das Talent haben, Empfindungen einzuflößen, haben zum Unglück oft das feindselige, selber keine zu erwidern.« Er heftete seinen Blick plötzlich auf ihre Hemdnadel, an der eine Perle und das Wort »l’amitié« glänzte; er sah wieder auf seine bolognesische Münze, auf der wie auf allen bolognesischen das Wort »libertas« (Freiheit) stand. »Sie gehen mit der Freundschaft wie Bologna mit der Freiheit um – beide tragen das als Legende, was sie nicht haben.« – Die edleren Menschen können die Worte »Freundschaft, Empfindung, Tugend« auch von den unedelsten nicht hören, ohne bei diesen Worten das Große zu denken, wozu ihr Herz fähig ist. Beata bedeckte einen Seufzer mit ihrer steigenden Brust, der es nur gar zu deutlich sagen wollte, was Empfindung und Freundschaft ihr für Freuden und für Schmerzen gäben; aber den Fürsten ging er nichts an.
    Sein haschender Blick, den er nicht seinem Geschlecht , sondern seinem Stande verdankte, erwischte den Seufzer, den er nicht hörte. Er machte auf einmal wider die Natur der Appellation und der Natur einen dialogischen Sprung: »Verstehen Sie mich nicht?« sagt’ er mit einem Tone voll hoffender Ehrerbietung. Sie sagte kälter, als der Seufzer versprach, sie könne heute mit ihrem kranken Kopfe nichts tun, als ihn auf den – Arm stützen, und bloß der mache ihr es schwer, die Ehrfurcht einer Untertanin und die Verschiedenheit ihrer Meinungen von den seinigen mit gleicher Stärke auszudrücken. – Gleich Raubtieren haschte er, wenn Schleichen zu nichts führte, durch Sprünge. »O doch!« (sagt’ er und machte Henris Liebeerklärung zur seinigen) »Marie! ich bin ja Ihr Bruder nicht.« Eine Frau gewinnt, wenn sie zu lange gewisse Erklärungen nicht verstehen will, nichts als – die deutlichsten. Er lag noch dazu in Henris Attitüde vor ihr. »Erlassen Sie mir«, antwortete sie, »die Wahl, es für Scherz oder für Ernst zu halten – außer dem Theater bin ich unfähiger, den Rosen-Preis zu verdienen oder zu vernachlässigen; aber Sie sinds, die Sie ihn überall bloß geben müssen.« – »Wem aber?« (sagt’ er, und man sieht daraus, daß gegen solche Leute keine Gründe helfen) – »ich vergesse über die Schönen alle Häßlichen und über die Schönste alle Schönen – ich gebe Ihnen den Preis der Tugend, geben Sie mir den der Empfindung – oder darf ich mir ihn geben?« und hastig zuckten seine Lippen nach ihren Wangen, auf denen bisher mehr Tränen als Küsse waren; allein sie wich ihm mit einem kalten Erstaunen, das er an allen Weibern wärmer gefunden hatte, weder um einen Zoll zu viel noch zu wenig aus und reichte bei ihm in einem Tone, in dem man zugleich die Ehrfurcht einer Untertanin, die Ruhe einer Tugendhaften und die Kälte einer Unerbittlichen fand, kurz in einem Tone, als hätte ihre Bitte mit dem Vorgegangnen gar keine Verbindung, auf diese Art reichte sie ihre untertänige Supplik ein, er möchte allergnädigst sich, da ihr der Doktor gesagt hätte, sie könne heute nichts Schlimmers tun als wachen, sich – wie ich mich ausgedrückt haben würde – zum Henker scheren. Eh’ er so weit ging: badinierte er noch einige Minuten, kam darüber beinahe wieder in den alten Ton, legte seine Inhäsiv-Pro-Reprotestationen ein und zog ab.
    Nichts als die Ruhe, die sie aus den Händen der Tugend und der – Liebe und des Gustavischen Briefes hatte, gab ihr das Glück, daß dieser Jakob oder Jack sich an diesem Engel eine Hüfte ausrenkte; – was freilich den matten Jaques um so mehr verdroß, je mehr der Engel sich unter dem Ringen verschönerte, da jede weibliche Unruhe bekanntlich ein augenblickliches Schmink- und Schönheitmittel wird.
    In euerem ganzen Leben, Gustav und Beata, schluget ihr eure Augen nie mit so verschiednem Gefühl vor einem Morgen auf als an dem, wo sich Beata nichts und Gustav alles vorzuwerfen hatte. Über den ganzen versunkenen Frühling seines Lebens schlichtete sich ein langer Winter; er hatte außer sich keine Freude, in sich keinen Trost und vor sich statt der Hoffnung Reue.
    Er riß sich mit so vieler Schonung, als seine Verzweiflung zuließ, von den Gegenständen seines Jammers los und jagte sein sprudelndes Blut nach Auenthal zu Wutz – in meine Stube. Ich sah an nichts mehr, daß er noch Gefühl und Leben hatte, als am Gewitterregen seiner Augen. – Er fing vergeblich an; unter Blut, Ideen und Tränen sanken

Weitere Kostenlose Bücher