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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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bloß Mangel aller Bewegung der Seele ist der erste Leibarzt gegen den ganzen Teufel. Leidenschaften sind so ungesund wie ihr Feind, das Denken, oder ihr Freund, das Dichten; bloß ihre sämtliche Koalition ist noch giftiger.«
    »Unter den Leidenschaften« – fuhr er fort – »löset Kummer wie Tauwetter alle Kräfte auf – so wie Vergnügen unter allen Nerven-Hebmitteln das stärkste ist. – Jetzo will ich alle deine medizinischen Schnitzer und Waldfrevel auf einen Haufen bringen, damit du nur hörest, was du bist.«…
    »Ich höre nicht darauf«, sagt’ ich.
    »Du hast aber doch, wie alle Hypochondristen und alle lecke Weiber, fatal gehandelt und bald den Magen, bald die Lunge, d. h. bald das Kammrad, bald das Hebrad, bald das Zifferblattrad ölend eingeschmiert, indes der treibende Gewicht-Stein abgerissen oder abgelaufen auf der Erde lag. Du sogest dich, wie die einbeinige Muschel, an deinen Studierfelsen an; und – dies war im Grunde das einzige Schlimme – drücktest dich mit der brennenden und matten Brust einer Bruthenne auf deine biographischen Eier und Sektores und wolltest den Lebenden nachkommen. Wo blieb dein Gewissen, deine Schwester, dein gelehrter Ruhm, dein Magen?«…
    »Wedele nicht so heftig, Fenk, mit dem Muff-Schwanz und wirf ihn lieber ins Bett!«
    »Meine Doktor-Disputation und deine Krankheit sind auch aus, wenn deine Tätigkeit sich, wie in einem Staate, von oben herab vermindert; – den Kopf untätig, das Herz in heiteren Schlägen, die Füße im Laufe, und dann komme der März nur heran.«…
    Ich tats einige Monate hintereinander , um den armen Leib wieder in integrum zu restituieren – und als ich mich so des gelben Ratzenpulvers und Mehltaues für die Nerven, nämlich des Kaffees und des Witzes enthielt und statt zu beiden zu braunem Bier und zu meinem Wutze griff, so wurde einmal plötzlich die Stube hell, Auenthal und der Himmel flammend, die Menschen legten ihre Fehler ab, alle Flächen grünten, alle Kehlen schlugen, alle Herzen lächelten, ich niesete vor Licht und Wonne und dachte: entweder eine Göttin ist gekommen oder der Frühling – – es war gar beides, und die Göttin war die Gesundheit.
    Und bloß auf deinem Altar will ich meine biographischen Blätter weiterschreiben! – der Pestilenziar leidet es nicht anders; seine Schlüsse und Rezepte sind die: »Ich würde« – sagt’ er – »in meiner Biographie, gleich der heißen Zone, den ganzen Winter mit allen seinen Tatsachen überspringen, da er ohnehin nur, wie der in jener Zone, im Regnen (der Augen) besteht. Ich würde, wenn ich an deiner Stelle säße, sagen, der Doktor Fenk wills nicht haben, nicht leiden, nicht lesen, sondern ich soll, statt in einer Entfernung von 365 Stunden der vorausschreitenden säenden Geschichte keuchend mit der Feder nachzueggen, lieber hart hinter der Gegenwart halten und sie ans Silhouettenbrett andrücken und sogleich abreißen. Ich würde« (fuhr Fenk fort) »dem Leser raten, bloß den Doktor Fenk anzupacken, der allein schuld sei, daß ich vom ganzen Winter nur folgenden schlechten Extrakt gäbe: Der gute Gustav verschmerzte den Winter in des Professor Hoppedizels Hause bei seinen Eltern, welche da ihr gewöhnliches Winterquartier hatten – er mattete seinen Kopf ab, um sein Herz abzumatten und ein anderes zu vergessen; bereuete seinen Fehler, aber auch seinen voreiligen Abschiedbrief; setzte seine Wunden dem philosophischen Nordwind des Professors aus, der auf einem zarten Instrument, wie Gustav, wie auf einem Pedal mit den Füßen orgelt; und zehrte durch Einsperren, Denken und Sehnen seine Lebenblüten ab, die kaum der Frühling wieder nachtreiben oder übermalen kann.
    Beata würde zu Hause – denn ihr weibliches Auge fand wahrscheinlich die Parze ihrer Freuden leicht heraus, von der sie sich unter dem ihr verdankten Vorwand der Kränklichkeit ohne Mühe geschieden hatte – noch mehr sich entblättert und umgebogen haben, wäre mein romantischer Kollege Oefel nicht gewesen: der ärgerte sie hinlänglich und mischte ihrem Kummer die Erfrischungen des Zornes bei, indem er immer kam und im schönsten gebrochnen eingeschleierten Auge der verlornen Liebe seine eigne aufsuchte und herausforderte. Jetzt trinkt sie, auf Fenks Treiben, den Brunnen in Lilienbad und lebt allein mit einem Kammermädchen – – der Mai hebe die gesenkte Blumen-Knospe deines Geistes empor, den dein Flockenleib, wie Blumen neu gefallner Schnee, umlegt und drückt und aus dessen aufgerissenen

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