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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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sondern dem Cyanometer des Herrn von Saussure zu glauben – ich sehe wie der Frühling und seine gaukelnden Schmetterlinge aus und blühe – kurz: meinem Glück fehlte nichts, als daß gar der heutige Sektor glücklich geschrieben war, den ich bis heute hinausspielte, um die ganze Vergangenheit hinter mir zu haben und morgen nichts beschreiben zu müssen als morgen….
    Und da der nun auch fertig ist: so – blauer Mai – breite deine Liebe-Arme aus, schlage deine himmelblauen Augen auf, decke dein Jungfrauen-Angesicht auf und betrete die Erde, damit alle Wesen wonnetrunken an deine Wangen, in deine Arme, zu deinen Füßen fallen und der Lebensbeschreiber auch wo liege!

Neunundvierzigster oder 1 ter Freuden-Sekto r
     
    Der Nebel – Lilienbad
    Nimm uns in dein Blumen-Eden auf, eingehülltes Lilienbad, mich, Gustav und meine Schwester, gib unsern Träumen einen irdischen Boden, damit sie vor uns spielen, und sei so dämmernd schön wie eine Vergangenheit!
    Heute zogen wir ein, und unser Vorreiter war ein spielender Schmetterling, den wir vor uns von einer Blumen-Station auf die andre trieben. – Und der Weg meiner Feder soll auch über nichts anders gehen.
    Der heutige Morgen hatte die ganze Auenthaler Gegend unter ein Nebel-Meer gesetzt. Der Wolkenhimmel ruhte auf unsern tiefen Blumen aus. Wir brachen auf und gingen in diesen fließenden Himmel hinein, in welchen uns sonst nur die Alpen lieben. An dieser Dunst-Kugel oben zeichnete sich die Sonne wie eine erblassende Nebensonne hinein; endlich verlief sich der weiße Ozean in lange Ströme – auf den Wäldern lagen hangende Berge, jede Tiefe deckten glimmende Wolken zu, über uns lief der blaue Himmelzirkel immer weiter auseinander, bis endlich die Erde dem Himmel seinen zitternden Schleier abnahm und ihm froh ins große ewige Angesicht schauete – das zusammengelegte Weißzeug des Himmels (wie meine Schwester sagte) flatterte noch an den Bäumen, und die Nebelflocken verhingen noch Blüten und wogten als Blonden um Blumen – endlich wurde die Landschaft mit den glimmenden Goldkörnern des Taues besprengt, und die Fluren waren wie mit vergrößerten Schmetterlingflügeln überlegt. Eine gereinigte hebende Maienluft kühlte mit Eis den Trank der Lunge, die Sonne sah fröhlich auf unsern funkelnden Frühling nieder und schaute und glänzte in alle Taukügelchen, wie Gott in alle Seelen…. O wenn ich heute an diesem Morgen, wo uns alles zu umfassen schien und wo wir alles zu umfassen suchten, mir nicht antworten konnte, da ich mich fragte: »War je deine Tugend so rein wie dein Vergnügen, und für welche Stunden will dich diese belohnen?« so kann ich jetzo noch weniger antworten, da ich sehe, daß der Mensch seine Freuden, aber nicht seine Verdienste durch die Erinnerung erneuern kann, und daß unsre Gehirn-Fibern die Saiten einer Äolsharfe sind, die unter dem Anwehen einer längst vergangnen Stunde zu spielen beginnen. Der große Weltgeist konnte nicht die ganze spröde Chaos-Masse zu Blumen für uns umgestalten; aber unserem Geist gab er die Macht, aus dem zweiten, aber biegsamern Chaos, aus der Gehirn-Kugel, nichts als Rosen-Gefilde und Sonnen-Gestalten zu machen. Glücklicherer Rousseau, als du selber wußtest! Dein jetziger erkämpfter Himmel wird sich von dem, den du hier in deiner Phantasie anlegtest, in nichts als darin unterscheiden, daß du ihn nicht allein bewohnest….
    Aber das macht eben den unendlichen Unterschied; und wo hätt’ ich ihn süßer fühlen können als an der Seite meiner Schwester, deren Mienen der Widerschein unsers Himmels, deren Seufzer das Echo unserer verschwisterten Harmonie gewesen. Sei nur immer so, teure Geliebte, die du vom Kranken so viel littest als ich von der Krankheit! Ich weiß ohnehin nicht, was ich öfter von dir zurücknehme, meinen Tadel oder mein Lob!
    Wir langten unter sprachlosen Gedanken in Unterscheerau an und fanden unsern bleichen Reisegenossen schon bereit, meinen Gustav. Er schwieg viel, und seine Worte lagen unter dem Drucke seiner Gedanken; der äußere Sonnenschein erblich zu innerem Mondschein, denn kein Mensch ist fröhlich, wenn er das Beste sucht oder zu finden hofft, was hienieden zu verlieren ist – Gesundheit und Liebe. Da in solchen Fällen die Saiten der Seele sich nur unter den leichtesten Fingern nicht verstimmen, d. h. unter den weiblichen: so ließ ich meine ruhen und weibliche spielen, die meiner Schwester.
    Als wir endlich manchen Strom von Wohlgeruch durchschnitten hatten –

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