Saemtliche Werke von Jean Paul
umdonnerte Sonne wie ein Weiser ruhig unter die kühle Erde, ihr Abendrot ruhte glühend unter dem blitzenden Wetter, sie schien wie eine Seele zu Gott gegangen zu sein, und ein Donnerschlag fiel in den Himmel nach ihrem Tode….
Es dämmerte…. die Natur war ein stummes Gebet…. Der Mensch stand erhabener wie eine Sonne darin; denn sein Herz faßte die Sprache Gottes…. aber wenn in das Herz diese Sprache kommt und es zu groß wird für seine Brust und seine Welt: so hauchet der große Genius, den es denkt und liebt, die stillende Liebe zu den Menschen in den stürmenden Busen, und der Unendliche lässet sich von uns sanft an den Endlichen lieben….
Gustav empfand die Hand, die in seiner pulsierte und aus ihr herausstrebte – er hielt sie schwächer und sah in das schönste Auge zurück – seines bat Beaten unendlich rührend um Vergebung der vergangnen Tage und schien zu sagen: »O! nimm in dieser seligen Stunde auch meinen letzten Kummer weg!« – Als er nun leise mit einem Tone, der so viel war wie eine gute Tat, fragte: »Beata?« und als er nicht weitersprechen konnte und sie das errötende Angesicht zur Erde wandte und aufhörte, ihre Hand aus seiner zu ziehen, und tief gerührt wieder aufsah und ihm die Träne zeigte, die zu ihm sagte: »Ich will dir vergeben«: so wurden aus zwei Seelen, die noch größer waren als die Natur um sie, zwei Engel, und sie fühlten den Himmel der Engel – sie standen und schwiegen, in unendliche Dankbarkeit und Entzückung verloren – er nahm endlich, zitternd vor hochachtender Freude, ihren bebenden Arm und erreichte uns.
Den Sabbat schlossen stille Gedanken, stille Entzückungen, stille Erinnerungen und ein stiller Regen aus allen entladenen Gewittern.
Vierter Freuden-Sekto r
Der Traum vom Himmel – Brief Fenks
Seitdem ich neben meinem lebenbeschreibenden Handwerk noch das eines Damenschneiders betreibe, wächst ein ganz neues Leben in mir auf. Gleichwohl muß man dem künftigen Schröckh, der in sein Bilderkabinett berühmter Männer mich auch als einen hineinhängen will, den Rat geben, daß er sich mäßige und aus meiner Schneiderei nicht alles ableite, sondern etwas aus meiner Phantasie. Die letzte hat sich im vorigen Winter und Herbst durch das Malen so vieler Naturszenen so gestärkt, daß der gegenwärtige Frühling an mir ganz andre Augen und Ohren findet als die vorigen alle. Das hätten wir alle, ich und Leser, eher bedenken sollen. Wenn der Reiz gewisser Laster durch die täglich wachsenden Anstrengungen der Phantasie unbezwinglich wird: warum geben wir ihrem hinreißenden Pinsel nicht würdige Gegenstände? Warum richten wir sie nicht im Winter ab, den Frühling aufzufassen oder vielmehr auszuschaffen? Denn man genießet an der Natur nicht, was man sieht (sonst genösse der Förster und der Dichter draußen einerlei), sondern was man ans Gesehene andichtet, und das Gefühl für die Natur ist im Grunde die Phantasie für dieselbe.
In keinem Kopfe aber kristallisierten sich holdere Traum- und Phantasiegestalten als im Gustavischen. Seine Gesundheit und sein Glück sind zurückgekommen: das zeigen seine Nächte an, worin die Träume wie Violen wieder ihre Lenzkelche auseinandertun. Ein solcher Edenduft wallet um folgenden Traum:
Er starb (kam ihm vor) und sollte den Zwischenraum bis zu seiner neuen Verkörperung in lauter Träumen verspielen. Er versank in ein schlagendes Blüten-Meer, das der zusammengeflossene Sternen-Himmel war; auf der Unendlichkeit blühten alle Sterne weiß und nachbarliche Blütenblätter schlugen aneinander. Warum berauschte aber dieses von der Erde bis an den Himmel wachsende Blumenfeld mit dem rauchenden Geiste von tausend Kelchen alle Seelen, die darüberflogen und in betäubender Wonne niederfielen, warum mischte ein gaukelnder Wind unter einem Schneegestöber von Funken und bunten Feuerflocken Seelen mit Seelen und Blumen zusammen, warum wölkte die verstorbnen Menschen ein so süßer und so spielender Totentraum ein? – O darum: die nagenden Wunden des Lebens sollte der Balsamhauch dieses unermeßlichen Frühlings verschließen und der von den Stößen der vorigen Erde noch blutende Mensch sollte unter den Blumen zuheilen für den künftigen Himmel, wo die größere Tugend und Kenntnis eine genesene Seele begehrt. – Denn ach! die Seele leidet ja hier gar zu viel! – Wenn auf jenem Schneegefilde eine Seele die andre umfaßte: so schmolzen sie aus Liebe in einen glühenden Tautropfen ein; er zitterte dann an
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