Saemtliche Werke von Jean Paul
letzten Nacht zusammentrug, neben aufgefalteten wachenden, die ich erst ausriß – sie machen mich auch traurig. – Es gibt für mich und meine Leser nichts Nötigeres, als jetzt einen neuen Freuden-Sektor anzuheben, damit wir unser altes Leben fortsetzen….
O Lilienbad! du bist nur einmal in der Welt; und wenn du noch einmal vorhanden bist, so heißest du V-zka.
Letzter Sekto r
Wir unglücklichen Brunnengäste! Es ist vorbei mit den Freuden in Lilienbad. – Die obige Überschrift konnte noch mein Bruder machen, eh’ er nach Maußenbach forteilte! Denn Gustav liegt da im Gefängnis . Es ist alles unbegreiflich. Meine Freundin Beata unterliegt den Nachrichten, die wir haben und die im folgenden Briefe vom Herrn Doktor Fenk an meinen Bruder heute ankamen. Es ist schmerzhaft für eine Schwester, daß sie allzeit bloß in Trauerfällen die Feder für den Bruder nehmen muß. Wahrscheinlich wird die folgende Hiobspost dieses ganze Buch so wie unsere bisherigen schönen Tage beschließen.
»Ich will dich, mein teuerer Freund, nicht wie ein Weib schonen, sondern dir auf einmal den ganzen außerordentlichen Schlag erzählen, der unsere glücklichen Stunden getroffen hat und am meisten die unserer beiden Freunde.
Drei Tage nach unserer schönen Nacht – erinnerst du dich noch an eine gewisse Bemerkung von Ottomar über die Gefährlichkeit der Entzückungen? – will der Professor Hoppedizel seinen unbesonnenen Spaß ausführen, im Maußenbachschen Schlosse einzubrechen. Der pfiffige Jäger Robisch war gerade nicht zu Hause, sondern mit deinem Vorfahrer, dem Regierungrat Kolb, auf einer Streiferei nach Diebgesindel, bei der sie aus Lust mitzogen. Bemerke, eine Menge Umstände und Personen verknüpfen sich hier, die schwerlich der Zufall zusammengeleitet hat.
Der Professor kommt mit sechs Kameraden und hat eine Leiter mit, um sie an dem seit Jahren zerbrochnen Fenster, das nach Auenthal hinübersieht, anzulegen. Aber als er unter das Fenster tritt: steht schon eine daran. Er nimmts für den besten Zufall, und sie steigen sämtlich, beinahe hintereinander, hinauf. Oben langt eine Hand eine silberne Degenkuppel heraus und will sie geben – der Professor ergreift beide und springt über das Fenster hinein. Darin war, was er schien, ein Dieb, welcher Handlanger auf der Leiter erwartete. Der diebische Realist fällt den Nominalisten mit wütender Verzweiflung an – die Galerie auf der Leiter stürzet gar nach und vermehrt das fechtende Gewimmel. Die Stöße auf dem Fußboden lärmen den horchenden Röper weniger aus seinem Schlafe als Bette auf – er sein ganzes Haus, und dieses seinen Gerichtdiener – es kurz zu sagen: in wenigen Minuten hatt’ er mit der Wut, womit der Geizige seine Güter rettet und hält, die spaßhaften Diebe und den ernsthaften zu Gefangnen gemacht, der wahre Dieb mochte noch so sehr um sich schlagen und der Professor noch so sehr disputieren. Jetzo sitzt alles fest und wartet auf dich.
– Ach! hältst du es aus – wenn ich dir alles sage? Die Streifer Kolb und Robisch finden um Maußenbach die Bundgenossen des ertappten Diebs – dringen in den Wald – gehen einer Höhle zu, als wüßten sie, daß sie zu etwas führe – finden eine unterirdische Menschenwelt – O! daß gerade du zu deinem Unglück da getroffen werden mußtest, du Unschuldiger und Unglücklicher! nun schlägt dein sanftes Herz auch an der Kerkerwand! – soll ich dir deinen Freund Gustav nennen? – – Eile, eile, damit es sich anders wende!
Sieh! nicht bloß auf deine, auch auf meine Brust hat dieser Tag sich heftig geworfen. Hältst du es aus, wenn ich noch mehr sage? – daß es nur ein Zufall ist, daß Ottomar noch lebt. – – Ich brachte ihm die Nachricht unseres Unglücks. Mit einem schrecklichen Sträuben seiner Natur, in der jede Fiber mit einem andern Schauer kämpfte, hört’ er mir zu und fragte mich, ob keiner mit sechs Fingern gefangen genommen worden. ›Ich habe in jener Waldhöhle‹ (sagt’ er) ›einen schweren Eid getan, unsere unterirdische Verbindung niemand zu offenbaren, ausgenommen eine Stunde vor meinem Tode. Fenk, ich will dir jetzo die ganze Verbindung offenbaren.‹ – Mein Sträuben und Flehen half nichts: er offenbarte mir alles. ›Gustav muß gerechtfertiget werden‹, sagt’ er. – Aber diese Geschichte ist nirgends sicher, kaum im getreuesten Busen, geschweige auf diesem Papier. Ottomar wurde von seiner sogenannten Vernicht-Minute angefallen. Ich ließ seine Hand
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