Saemtliche Werke von Jean Paul
einem einzigen Herz an seiner Brust; – dann gingest du, Seraph, in die schlagenden Herzen und gabest ihnen die Flammen der überirdischen Liebe – und du hörtest fliehen von Gustavs heißen Lippen die gehauchten Laute:»O du Teure! Unverdiente! und so Gute! so Gute!«
Es sei genug – die hohe Minute ist vorübergeflossen – der Erdentag schickt sein Morgenrot schon an den Himmel – mein Herz komme zur Ruhe, und jedes andre auch!
Vierundfunfzigster oder 6 ter Freuden-Sekto r
Tag nach dieser Nacht – Beatens Blatt – Merkwürdigkeit
Ich bitte die Kritik um Verzeihung, wenn ich diese Nacht zu viele Metaphern und zu viel Feuer und Lärm gemacht: ein Freuden-Sektor (so wie die Kritik darüber) muß sich dergleichen gefallen lassen, sobald einmal der Verfasser sich eine ähnliche Überfracht von Zitronensäure, Teeblüte, Zuckerrohr und Arrak gefallen lässet, wie ich tat.
Ich legte mich heute gar nicht nieder: die Vögel fingen schon wieder zu singen an, und als der Traum kaum das vergangne Schauspiel einige 40mal wieder vor den zugesunknen Augen aufgeführet hatte, macht’ ich sie wieder auf, weil die Sonne mich umflammte.
Eine durchwachte und durchfreuete Nacht lässet einen Morgen zurück, wo man in einer süßen Abspannung weniger empfindet als phantasieret, wo die nächtlichen Töne und Tänze unsere innern Ohren immerfort anklingen, wo die Personen, mit denen wir sie verbrachten, in einem schönen Dämmerlichte, das unsre Herzen zieht, vor unsern innern Augen schweben. In der Tat, man liebt nie eine Frau mehr als nach einer solchen Nacht, morgens eh’ man gefrühstückt.
Ich dachte heute tausendmal an meinen Gustav, der vor Tage seine fünftägige Reise angetreten, und an meinen festen Ottomar, der mit ihm geht. Möchtet ihr an keine Dornen kommen als solche, die unter die Rose gesteckt sind, unter keine Wolke treten als die, die euch den ganzen blauen Himmel lässet und bloß die Glut-Scheibe nimmt, und möchte euren Freuden keine fehlen als die, daß ihr sie uns noch nicht erzählen könnet!
Alles Sonnenlicht umzauberte und überwallte mir bloß wie erhöhtes Mondenlicht alle Schattengänge von Lilienbad; die vorige Nacht schien mir in den heutigen Tag herüberzulangen, und ich kann nicht sagen, wie mir der Mond, der noch mit seinem abgewischten Schimmer wie eine Schneeflocke tief gegen Abend herhing, so willkommen und lieb wurde. O blasser Freund der Not und der Nacht! ich denke schon noch an dein elysisches Schimmern, an deine abgekühlten Strahlen, womit du uns an Bächen und in Laubgängen begleitest und womit du die traurige Nacht in einen von weiten gesehenen Tag umkleidest! Magischer Prospektmaler der künftigen Welt, für die wir brennen und weinen, wie ein Gestorbner sich verschönert, so malest du jene auf unsre irdische, wenn sie mit allen ihren Blumen und Menschen schläft oder schweigend dir zusieht! –
Ich gäbe heute die vornehmste Visite darum, wenn ich eine bei den Glücklichen des gestrigen Tages machen könnte; es ist aber nicht zu tun. Sogar Beata hat heute eine von ihrer Mutter; und mein Auge konnte noch nichts von ihr habhaft werden als die fünf weißen Finger, womit sie einen Blumentopf an ihrem Fenster aus dem Schatten eines Zweiges wegdrehte. O wenn unser altes Leben und unsre Wandelgänge wieder anheben und alles wieder beisammenlebt: was soll da die Gelehrten-Republik nicht zu lesen bekommen!
Heute reich’ ich ihr nichts mehr als Beatens Geleitbrief an Gustav, weil ich ihn nur abzuschreiben brauche. Ich schlüpfe dann wieder ins Freie, beschiffe nach der Seekarte meines Kopfes den gestrigen Weg noch einmal, und indem ich die verzettelten Blumen, die gestern unsre vollen Hände fallen ließen, als Nachflor auflese, find’ ich die höhern auch. – Man wird einige Stellen im folgenden Aufsatze Beaten verzeihen, wenn ich voraussage, daß sie – vielleicht durch ihr Herz so gut wie durch ihren Vater überlistet, der nur ein äußerlicher Renegat des Katholizismus war – von den Engeln und ihrer Anbetung mehr glaubte, als Nicolai und die Schmalkaldischen (Waren-)Artikel einer Lutheranerin verstatten können. Denn das schwache und so oft hülflose Weib, das nicht weit über diese Erde zu steigen wagt, legt in der Stunde der Not so gern ihre Bitten und ihre Seufzer vor einer Marie, vor einer Seligen, vor einem Engel nieder; aber der festere Mann wird nachsichtig einen Wahn nicht rügen, der so trösten kann. –
Wünsche für meinen Freund
»Es ist kein Wahn,
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