Saemtliche Werke von Jean Paul
Fache nur, aber welche Schmeichelei!) – daß jeder, der ein Leben besäße und es von mir biographisch abgeschattet sehen wollte, damit fortmachen sollte, ehe ich von irgendeinem königlichen Hause zum Historiographen weggepresset würde und gar nicht mehr zu haben wäre – daß es mir gleichwohl wie andern Berghauptleuten ergehen könnte, vor denen das zerstreuete Publikum oft nicht eher den Hut abgenommen, als bis sie schon in eine andere Gasse, d. h. Welt, hinein gewesen, u. s. w. Wer besorgt letztes mehr als ich selber? Aber auch diese Besorgnis bringt einen bescheidnen Mann nicht dazu, daß er hinabkriecht und den Einbläser seines Lobredners macht; wie ich doch getan haben würde, wenn ich fort ausgezogen hätte. Meinem Gefühle sind sogar die Schriftsteller verhaßt, die mit dem Endtriller: »Bescheidenheit verbiete ihnen, mehr zu sagen« unverschämt erst dann nachkommen, wenn sie alles schon gesagt haben, was jene verbieten kann.
Jetzo wagt sich der Korrespondent mit seiner Absicht hervor, mich zum Lebensbeschreiber einer ungenannten Familiengeschichte zu machen. Er bittet, er intrigieret, er trotzt. »Er könne« – (schreibt er weitläuftiger, aber ich abbreviere alles und trag’ überhaupt diesen Briefauszug mit außerordentlich wenig Verstand vor; denn ich werde seit einer halben Stunde von einer verdammten Ratten-Bestie ungemein ärgerlich gekratzt und genagt) – »mir alles gerichtlich dokumentieren, dürfe mir aber keine andere Namen der Personagen in dieser Historie melden als verfälschte, weil mir nicht ganz zu trauen sei – er kläre mir schon alles mit der Zeit auf – denn an dieser Geschichte und deren Entwicklung arbeite das Schicksal selber noch, und er händige mir hier nur die Schnauze davon ein und werde mir ein Glied nach dem andern, so wie es von der Drechselbank der Zeit abfalle, richtig übermachen, bis wir den Schwanz hätten – daher werde der briefliche Spitz regelmäßig weg- und anschwimmen wie eine poste aux ânes, aber nachschiffen dürf’ ich dem Briefträger nicht – und so« (schließet der Korrespondent, der sich Knef unterzeichnet) »werde mir der Hund wie ein Pegasus so viel Nahrungsaft zutragen, daß ich statt des dünnen Vergißmeinnichts eines Almanachs einen dicken Kohlstrunk von Folianten in die Höhe zöge.«
Wie glücklich er seine Absicht erreicht habe, weiß der Leser, der ja eben aus dem ersten Kapitel dieser Geschichte herkömmt, das der Spitz von Eymanns Ratten bis zur Kanonade auf einmal in der Flasche hatte.
Ich schrieb Herrn Knef nur so viel im Kürbis zurück: »Etwas Tolles schlag’ ich selten ab. – Ihre Schmeicheleien würden mich stolz machen, wenn ichs nicht schon wäre; daher schaden Schmeichler wenig. – Ich finde die beste Welt bloß im Mikrokosmus ansässig, und mein Arkadien langt nicht über die vier Gehirnkammern hinaus; die Gegenwart ist für nichts als den Magen des Menschen gemacht; die Vergangenheit besteht aus der Geschichte, die wieder eine zusammengeschobene, von Ermordeten bewohnte Gegenwart, und bloß ein Deklinatorium unsrer ewigen waagrechten Abweichungen vom kalten Pole der Wahrheit, und ein Inklinatorium unsrer senkrechten von der Sonne der Tugend ist – Es bleibt also dem Menschen, der in sich glücklicher als außer sich sein will, nichts übrig als die Zukunft oder Phantasie, d. h. der Roman. Da nun eine Lebensbeschreibung von geschickten Händen leicht zu einem Roman zu veredeln ist, wie wir an Voltairens Karl und Peter und an den Selbstbiographien sehen: so übernehm’ ich das biographische Werk, unter der Bedingung, daß darin die Wahrheit nur meine Gesellschaftdame, aber nicht meine Führerin sei.
In Besuchzimmern macht man sich durch allgemeine Satiren verhaßt, weil sie jeder auf sich ziehen kann; persönliche rechnet man zu den Pflichten der Medisance und verzeiht sie, weil man hofft, der Satiriker falle mehr die Person als das Laster an. In Büchern aber ist es gerade umgekehrt, und es ist mir, falls einige oder mehrere Spitzbuben in unsrer Biographie, wie ich hoffe, Rollen haben, das Inkognito derselben ganz lieb. Ein Satiriker ist hierin nicht so unglücklich wie ein Arzt. Ein lebhafter medizinischer Schriftsteller kann wenige Krankheiten beschreiben, die nicht ein lebhafter Leser zu haben meine; dem Hypochondristen impfet er durch seine historischen Patienten ihre Wehen so gut ein, als wenn er ihn ins Bette zu ihnen legte; und ich bin fest versichert, daß wenige Leute von Stande lebhafte
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