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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Schleier das Lebenströmchen eines Literatus, das über einige Hörsäle und Bücherbretter rinnt, aus dem großen Weltatlas in eine Spezialkarte hineinpunktiert: so kann es so denken und sagen: »Wohlfeiler und sonderbarer kann man doch kein Wesen glücklich machen, als wenn man es zu einem literarischen macht: sein Freudenbecher ist eine Dintenflasche – sein Trommetenfest und Fasching ist (wenn es rezensiert) die Ostermesse – sein ganzer paphischer Hain geht in ein Bücherfutteral hinein – und in was anderm bestehen denn seine blauen Montage als in (geschriebnen oder gelesenen) Hundposttagen?« Und so führt mich das Schicksal selber in den

2. Hundpostta g
     
    Vorsündflutliche Geschichte – Viktors Lebens-Prozeß-Ordnung
    Beim Tor des ersten Kapitels fragen die Leser die Einpassierenden: »Wie heißen Sie? – Ihren Charakter? – Ihre Geschäfte?« –
    Der Hund nimmt für alle das Wort. Vom H. Januar – d. h. Herrn Januar, nicht heiligen Januar, sondern der flachsenfingische Fürst hieß so – wurde in den jüngern Jahren die große Tour oder Reise um die schöne und die große Welt gemacht. Er teilte überall an Fremde Geschenke aus, die ihn ein einziges don gratuit seiner Untertanen kosteten, und unterstützte und bedauerte viele gedrückte Bauern in Frankreich, die es so schlimm hatten wie seine in Flachsenfingen. Für das wehrlose weibliche Geschlecht tat er, wie alle reisende Fürsten, fast noch mehr: man kann von der größern Zahl derselben sagen, daß sie, wie Titus oder wie ein östlicher Weltumsegler, zwar zuweilen einen Tag verlieren, aber selten eine Nacht , ohne glücklich zu machen und folglich zu – werden. Der Regent muß überhaupt die jetzige Entvölkerung Frankreichs vorausgesehen haben; denn er setzte sich ihr bei Zeiten entgegen und hinterließ in drei gallischen Seestädten drei Söhne, und auf den sogenannten sieben Inseln nur einen. Der erste hieß der Walliser, der zweite der Brasilier, der dritte der Asturier, der auf den sieben Inseln der Monsieur oder Mosje: wahrscheinlich sollten die Namen auf Prinzen von Wallis, von Brasilien und Asturien hinspielen. Er ließ die Kinder bloß in der Unwissenheit ihres Standes und in keiner schlimmern erziehen: man sollte sie zu künftigen Mitarbeitern seiner Regierung formen. Januar war zwar sinnlich und ein wenig schwach, aber – außer wo er fürchtete – äußerst menschenfreundlich.
    Der Lord Horion war dem Fürsten Januar zweimal auf seiner Reise begegnet; das erstemal durchschnitt er die fürstliche Planetenbahn als Haarkomet, das zweitemal als sonnennaher Schwanzkomet. Ich will sagen: Horion sah gerade, als er eine Abkömmlingin aus Januars Hause liebte, die in London wohnte, den Fürsten zum zweitenmal und nahm ihn und den Hofstaat desselben in seinem Hause zu London auf. Über diese sehr weitläuftige Verwandte des Fürsten werfen meine Nachrichten – aus zu großer Rücksicht auf Staats- und Familienverhältnisse – einen unzeitigen Schleier. Sie war bei der Vermählung mit dem Lord 22 Jahre alt, und ihr ganzes Wesen war (wenn ich den kühnen Ausdruck eines Londner Lobredners derselben nehmen darf) nichts als ein einziges zartes stilles blaues Auge. Das ist alles, was man dem Publikum zuwendet. –
    Der Fürst ließ sich gern vom Lord besiegen und beherrschen, den eine sonderbare Mischung von Kälte und Genie zum uneingeschränkten Monarchen und Kommandeur der Seelen machte. Der Lord hatte noch eine schöne Nichte im Hause, deren Reize in den fürstlichen Augen einen solchen geistigen Alten vom Berge, wie er, sowohl jünger als ebener machten. –
    Aber die Totenglocke warf ihre Mißtöne in diese Wohllaute des Lebens. Die Geliebte des Lords flog aus der rauhen Erde und ließ ihr seinen ersten Sohn als Andenken und Herzpfand zurück; sie starb im 23sten Jahr gleichsam am Leben des Kindes, einige Tage nach dessen Geburt, und der zarte dünne Zweig brach unter der reifen Frucht zusammen. Lord Horion schwieg vor dem Geschick. Er hatte sie fürchterlich geliebt, ohne es zu zeigen; er betrauerte sie ebenso, ohne sein tiefes schwarzes Auge zu benetzen.
    Der Fürst fand an der Nichte, d. h. an einer wahren Engländerin, darum Geschmack, weil er vorher einen ebenso großen an den Französinnen gefunden hatte; und aus diesem Grunde hätt’ er umgekehrt diese geliebt, hätt’ er vorher jene gekannt. Der nachherige Obrist-Kammerherr Le Baut hatte dieselbe Gesinnung, und was noch mehr ist, gegen dieselbe Person; und wie die

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