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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Schilderungen der Lustseuche lesen können, ohne sich einzubilden, sie hätten sie, so schwach sind ihre Nerven und so stark ihre Phantasien. Hingegen ein Satiriker kann sich Hoffnung machen, daß selten ein Leser seine Gemälde moralischer Krankheiten, seine anatomischen Tafeln von geistigen Mißgeburten auf sich anwenden werde; er kann froh und frei Despotismus, Schwäche, Stolz und Narrheit ohne die geringste Sorge malen, daß einer dergleichen zu haben sich einbilde; ja ich kann das ganze Publikum oder alle Deutsche einer ästhetischen Schlafsucht, einer politischen Abspannung, eines kameralistischen Phlegma gegen alles, was nicht in den Magen oder Beutel geht, beschuldigen; aber ich traue jedem, der mich lieset, zu, daß er wenigstens sich nicht darunter rechne, und wenn dieser Brief gedruckt würde, wollt’ ich mich auf eines jeden inneres Zeugnis berufen. – Der einzige Spieler, dessen wahren Namen ich in diesem historischen Schauspiel haben muß, zumal da er nur den Einbläser macht, ist der – Hund.
    Jean Paul.«
    Ich habe noch keine Antwort und auch noch kein zweites Kapitel: jetzo kommt es ganz auf den Spitzhund an, ob der der gelehrten Welt die Fortsetzung dieser Historie schenken will oder nicht.
    – Ists aber möglich, daß ein biographischer Berghauptmann bloß einer verdammten Ratte wegen, die noch dazu in keinem Journal arbeitet, sondern in meinem Hause, eben vom Publikum weglaufen und alle Zimmer durchdonnern muß, um das Aas in Angst zu jagen?…
    … Spitzius Hofmann heißet der Hund; der war die Ratte und kratzte an der Türe mit dem zweiten Kapitel im Kürbis. Ein ganzes volles Proviantschiff, das die gelehrte Welt ausnaschen darf, hab’ ich vom Halse Hofmanns abgehoben: und es tun sich für den Leser, der das Gescheute so gern lieset wie das Dumme, heute – denn nunmehr ists gewiß, daß ich fortschreibe – freudige Aussichten auf, die ich aus einem gewissen Gefühle der Bescheidenheit nicht abzeichne… Der Leser sitzt jetzt in seinem Kanapee, die schönsten Lese-Horen tanzen um ihn und verstecken ihm seine Repetieruhr – die Grazien halten ihm mein Buch und reichen ihm die Heftlein – die Musen wenden ihm die Blätter um oder lesen gar alles vor – er lässet sich von nichts stören, sondern der Schweizer oder die Kinder müssen sagen, Papa ist aus – da das Leben an einem Fuß einen Kothurn und am andern einen Sokkus trägt, so ists ihm lieb, daß eine Lebensbeschreibung auch in einem Atem lacht und weint – und da die Schönschreiber immer mit dem Moralischen ihrer Schriften, das nützt, etwas Unmoralisches, das vergiftet, aber reizt, zu verbinden wissen, gleich den Apothekern, die zugleich Arzneien und Aquavit verzapfen, so vergibt er mir gern für das Unmoralische, das vorsticht, das Religiöse, das ich etwa habe, und umgekehrt – und da diese Biographie in Musik gesetzt wird, weil Ramler sie vorher in Hexameter setzt (welches sie auch mehr bedarf als der harmonische Geßner), so kann er, wenn er sie gelesen hat, aufstehen und sie auch spielen oder singen…. Auch ich bin fast ebenso glücklich, als läs’ ich das Werk – der indische Ozean schlägt die Pfauenräder seiner beleuchteten Wellenkreise vor meiner Insel – mit allem steh’ ich auf dem besten Fuße, mit dem Leser, mit dem Rezensenten und mit dem Hund – alles ist schon zu den Hundposttagen da, ein Dintenrezept von einem Alchemiker, der Gänsehirt mit Spulen war schon gestern da, der Buchbinder mit bunten Schreibbüchern erst heute – die Natur knospet, mein Leib blüht, mein Geist trägt – und so häng’ ich über den Loh- und Treibkasten (d. h. über die Insel) meine Blüten, durchschieße den Kasten mit meinen Wurzelfasern, kann es (ich Hamadryade) aus meinem Laubwerk heraus nicht wahrnehmen, wie viel Moos die Jahre in meine Rinde, wie viel Holzkäfer die Zukunft in das Mark meines Herzens und wie viel Baumheber der Tod unter meine Wurzel setzen wird, nehme alles nicht wahr, sondern schwinge froh – du gütiges Schicksal! – die Zweige in dem Winde, lege die Blätter saugend an die mit Licht und Tau gefüllte Natur und errege, vom allgemeinen Lebenodem durchblättert, so viel artikuliertes Geräusch, als nötig ist, daß irgendein trübes Menschenherz unter der Aufmerksamkeit auf diese Blätter seine Stiche, sein Pochen, sein Stocken vergesse in kurzen sanften Träumen – – warum ist ein Mensch zuweilen so glücklich?
    Darum: weil er zuweilen ein Literatus ist. Sooft das Schicksal unter seinem

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