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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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militärischen zu seinem Steigen einschlage – und daß er auf dem letzten, wenn der Lord ihm seine Hand dazu biete, schneller zu Klotilden auf ähnliche Stufen kommen würde – und daß die Bitte, von der er in seinen Briefen an Viktor gesprochen, eben die sei, alles dem Lord wieder zu erzählen und seinen Beistand zu begehren. – Im Grunde konnte nur sein wilder Arm den Degen besser als die Gerechtigkeitwaage halten. Eine fürchterliche Anlage zur Eifersucht, die schon von künftigen Möglichkeiten Zuckungen bekömmt, war die Hauptursache. Viktor freuete sich, daß er seinen Gefühlen die beste Sprache geben konnte, nämlich Handlung, und sagte ihm alles mit Entzücken über sein Zutrauen und über das Außenbleiben befürchteter Neuigkeiten zu. – So gingen sie, von neuem aneinander befestigt, zur Ruhe, und das Zwillinggestirn – dieser fortbrennende verschlungne Name der Freundschaft – schimmerte in Westen zuwinkend aus der irdischen Ewigkeit herüber, und das Herz des Löwen war zu seiner Rechten angezündet….
    Auf diese Erde sind Menschen gelegt und an den Fußboden befestigt, die sich nie aufrichten zum Anblick einer Freundschaft, welche um zwei Seelen nicht erdige, metallene und schmutzige Bande legt, sondern die geistigen, die selber diese Welt mit einer andern und den Menschen mit Gott verweben. Solche zum Schmutz Erniedrigte sind es, die, gleich den Reisenden, den Tempel, der um die Alpenspitze hängt, von unten für bodenlos und schwebend ansehen, weil sie nicht in der Höhe auf dem großen Raume des Tempels selber stehen, weil sie nicht wissen, daß wir in der Freundschaft etwas Höheres als unser Ich, das nicht die Quelle und der Gegenstand der Liebe zugleich sein kann, achten und lieben, etwas Höheres, nämlich die Verkörperung und den Widerschein der Tugend, die wir an uns nur billigen , aber an andern erst lieben .
    Ach können denn höhere Wesen die Schwächen von Schatten-Gruppen strenge berechnen, die einander festzuhalten suchen, von Nordwinden auseinander gedrängt – die voneinander die edle unsichtbare Gestalt an sich drücken wollen, worüber dick und plump die Erdenlarve hängt – und die einander in Gräber nachfallen, worein die Beweinten ihre Weinenden ziehen?

4. Hundpostta g
     
    Schattenriß-Schneider – Klotildens historische Figur – einige Hofleute und ein erhabner Mensch
    Eigentlich wollte Klotilde – erfuhr Sebastian am Morgen – bis nach Johannis im Stifte bleiben: aber da ihre beste Freundin und Stift-Genossin Giulia voraus fortgegangen war, nicht zu den Eltern, sondern unter die Erde, so mußte sie das verwundete Auge durch eine schnellere Abreise wegziehen von dem Grabhügel, der wie eine Ruine über dem verlornen Herzen ruhte. Ohne Gepäck war sie dem blumenlosen Golgatha ihrer verwundeten Seele entflohen, und ihr stand noch ein zweiter Anblick desselben, eine zweite Abreise und die Wiederholung der alten Tränen bevor.
    Nie wurde eine große Schönheit von einer kleinen unbefangner gelobt als von Agathen Klotilde. Sonst schätzen Mädchen an Mädchen nur das Herz; die zerstiebenden Reize eines fremden Gesichts haben so wenig Wert in ihren Augen, daß sie ihrer kaum erwähnen mögen. Jünglingen wirft man richtig vor, daß sie gern schöne Jünglinge zu ihren Freunden auslesen; bei Mädchen hingegen wollen ihre Lobredner viel daraus machen, daß sie die weibliche Schönheit als einen zu lockern und niedrigen Mörtel und Leim der Freundschaft gänzlich verschmähen, und daß daher einer schönen Frau das Herz der allerhäßlichsten teurer sei als das Gesicht der schönsten auf den fünf Erdgürteln und Erdschärpen. Agathe war anders: sie lief schon am Morgen ins Schloß, um die Freundin anzukleiden.
    Flamin macht’ es noch ärger: er konnt’ es nicht erwarten, daß die Wirklichkeit selber Klotildens Madonnenbild in Viktors Gehirnkammern aufhing; er kam ihr mit der Federzeichnung eines Malers zuvor, die wenigstens nicht – kalt ist; denn Maler schreiben im ästhetischen und im kalligraphischen Sinne selten gut. Der Maler hatte, bloß um Klotilden zu sehen und zu zeichnen, fast alle Sonntagmorgen auf einem Berg von Maienthal gelegen, wo er die glänzende Landschaft um das Stift auf seine Blätter trug, und den schönen Kopf, der aus dem achten Fenster heraussah, in sein Herz. Sogar Flamin, der sonst die prosaischen Buchdruckerstöcke über die lebenden Ölgemälde der Dichtkunst stellte, fand an der folgenden Madonna oder Klotilde des Malers

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