Saemtliche Werke von Jean Paul
bekommen, als ihr Eilen Fliegen wurde – und als sie beinahe an ihr war, flog eine weiße Gestalt mit ausgebreiteten Armen heraus und in ihre hinein, aber die Laube verhüllte das Ende der Umarmung, und lange standen alle wartende Augen vergeblich auf der Klause der Liebe.
Die Kaplänin, die sonst allen Mädchen nur Standeserniedrigungen, nicht Standeserhöhungen gewährte, erteilte jetzo Klotilden alle sieben Weihen und lobte sie so sehr – vielleicht auch da sie ihre Landsmännin von mütterlicher Seite war –, daß Viktor die Lobrednerin und die Gelobte hätte zugleich umarmen mögen. – Der Kaplan setzte zu ihrem Lobe noch dazu, er habe ihr Namens-Initial-K mit Tulpen gleichsam wie einen Titel rot gedruckt, und der Buchstabe auf dem Beete glänze, wenn er blühe, weit und breit.
Der Ehe- und Säemann fiel jetzt immer mehr in den Sphärengesang der Nacht mit dem Schnarrwerk seines Hustens ein; endlich machte er sich mit der enthusiastischen Freundin Viktors fort und ließ die beiden Freunde allein in der schönen Nacht mit den zwei vollen Herzen zurück, die ineinander sich zu ergießen lechzten.
Flamin hatte diesen ganzen Tag eine schweigende rührende Sanftmut gezeigt, die selten in sein Inneres kam, und die zu sagen schien: ich habe etwas auf dem Herzen. Als die Warte öder war, so verheimlichte Viktor, der von liebenden Träumen voll und weich geworden, seine in Tränen stehenden Augen nicht mehr, er schlug sie frei auf vor dem ältesten Liebling seiner Tage und zeigte ihm jenes offne Auge, welches sagt: blicke immer durch bis zum Herzen hinunter, es ist nichts darin als lauter Liebe… Stumm gingen die Wirbel der Liebe um beide und zogen sie näher – sie öffneten die Arme für einander und sanken ohne Laut zusammen, und zwischen den verbrüderten Seelen lagen bloß zwei sterbende Körper – hoch vom Strome der Liebe und Wonne überdeckt, drückten sich auf eine Minute die trunknen Augen zu; und als sie wieder aufgingen, stand die Nacht erhaben mit ihren in ewige Tiefen versunknen Sonnen vor ihnen, die Milchstraße ging als der Ring der Ewigkeit um die Unermeßlichkeit, die scharfe Sichel des Erdenmonds rückte schneidend in die kurzen Tage und Freuden der Menschen. –
Aber in dem, was unter den Sonnen stand, was der Ring umzog, was die Sichel angriff, war etwas höher, fester und heller als diese – es war die unvergängliche Freundschaft in den vergänglichen Hüllen.
Flamin, anstatt durch diesen erschöpfenden Ausdruck unsrer sprachlosen Liebe befriedigt zu sein, wurde jetzt ein lebendes fliegendes Feuer. »Viktor! in dieser Nacht gib mir deine Freundschaft auf ewig und schwöre mir, daß du mich nie in meiner Liebe zu dir stören willst!« – »O du Guter! ich hab’ dir ja längst mein Herz gegeben, aber ich will gern heute wieder schwören.« – »Und schwöre mir, daß du mich niemals in Unglück und Verzweiflung stürzen willst.« – »Flamin! das tut mir zu weh.« – »O ich fleh’ dich an, schwöre es und hebe deine Hand auf und versprich mir, wenn du mich auch hast unglücklich gemacht, daß du mich doch nicht verlässest und nicht hassest«…. (Viktor preßte ihn an sich) »Sondern wir gehen hieher, wenn wir uns nicht mehr aussöhnen können – o es tut mir auch wehe, Viktor! – hieher und umfassen uns und stürzen uns hinab und sterben« – »Ja!« (sagte Viktor erschöpft leise) »o Gott! ist denn etwas vorgegangen?« – »Ich will dir alles sagen: nun leben und sterben wir miteinander« – »O Flamin! wie lieb’ ich dich heute unaussprechlich!« – »Nun lass’ ich dich mein ganzes Herz sehen, Viktor, und offenbare dir alles.« – –
Aber eh’ ers konnte, mußt’ er vorher sich durch Verstummen ermannen, und sie schwiegen lange, in den innern und den äußern Himmel vertieft.
Endlich konnt’ er anfangen und ihm erzählen, daß jene Klotilde, über die er heute gescherzt, sich mit unauslöschlicher Schrift in sein Inneres geschrieben – daß er sie weder vergessen noch bekommen könne – daß das schleichende Fieber einer furchtsamen wahnsinnigen Eifersucht aufreibend in ihm brenne – daß er mit ihr zwar kein Wort über seine Liebe nach ihrem eignen Verbote sprechen dürfe, als bis ihr Bruder (der Infant) wieder da und dabei sei – daß sie aber, nach ihrem Betragen und nach Matthieus Versicherungen, vielleicht einige für ihn habe – daß ihr Stand die ewige Scheidemauer zwischen beiden bleibe, solang’ er den juristischen Weg anstatt des
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