Saemtliche Werke von Jean Paul
empfindlich und doch mit einem Handdruck davon.
6. Hundpostta g
Der dreifache Betrug der Liebe – verlorne Bibel und Puderquaste – Kirchgang – neue Konkordaten mit dem Leser
Knefs Antwort ist elend: »Aus dem vom 6ten dieses von Ew. Wohlgeboren Erlassenen ersehe, daß das Publikum Geschmack hat und einige Feinheit – welches mich gar nicht wundert, da man solches den Goldplatten, die erst zwischen einem Buch von Pergament und dann zwischen zwei von Rindsblättern dünn und fein geschlagen werden, ähnlich behandelt und es ebenso von einem Buch ins andre tut und darin durch den Druck der Preß-Bengel so fein macht wie Kavalierpapier. Wenns Publikum noch ein paar Jahre so fortlieset, so kanns zuletzt gescheiter werden als Deutschland selber. Anlangend die Unwahrscheinlichkeiten in unserem Werke, so wären dergleichen freilich mehre zu wünschen, weil ohne diese eine Lebensbeschreibung und ein Roman schlecht gefallen, da ihnen der Reiz fehlet, womit uns das deutsche Hospital- und Narrenschiff voll romantischer Originalromane so sehr anzieht – welches Schiff als Absonderungdrüse widerlicher Werke mit Recht die Leber der gelehrten Republik genannt werden mag, und der Buchladen der Gallengang. Aber in Rücksicht der Unwahrscheinlichkeiten besorge selber nur gar zu sehr, daß auch die wenigen, worauf wir fußen, am Ende verschwinden. Der ich u. s. w.«
Der Schäker, merkt man leicht, will nur mich und den Leser gern mit Hasenschwänzen behängen. Für mich aber ists doch ein herrliches Dokument, daß ich das Meinige getan und an den Schelm geschrieben habe. –
Gewisse Menschen sind, wenn sie abends sehr warm und freundschaftlich waren, am Morgen sehr finster und kalt – wie Maupertuis’ Halbsonnen, die nur auf der einen Hälfte brennen, und die uns verschwinden, wenn sie die erdige vorkehren –; und waren sie kalt, so werden sie warm. Flamin vergaß am Morgen entweder den warmen Abend oder die Nachtkälte. Heute ist das Kirchgangfest! – Droben bei Sebastian rückt’ er, wie ein deutscher Polizei-Puritaner und Purist, mit Speiteufeln und Musketenfeuer aus gegen den Kirchgang – gegen Kindtaufschmäuse – gegen das Holzfällen zu Weihnachten und Pfingsten – gegen Feiertage und gegen allen Spaß der Menschen.
Viktor wurde von unserm Jahrhundert durch nichts so erzürnt als durch dessen stolze Kreuzpredigten gegen unmodische Torheiten, indes es mit unmodischen Lastern in Subsidientraktaten steht. Er holte mit einem weiten Atem aus und bewies, daß das Glück eines Staates, wie eines Menschen, nicht im Reichtum, sondern im Gebrauche des Reichtums, nicht in seinem kaufmännischen, sondern moralischen Werte bestehe – daß die Ausscheurung des altertümlichen Sauerteigs und unsre meisten Institutionen und Novellen und Edikte nur die fürstlichen Gefälle, nicht die Moralität zu erhöhen suchten, und daß man begehre, die Laster und die Untertanen brächten, wie die alten Juden, ihre Opfer nur in einer Stadt, nämlich in der Residenzstadt – daß die Menschheit von jeher sich die Nägel nur an den nackten Händen , nicht an den verhüllten Füßen , die oft darüber selber herunterkamen, beschnitten habe – daß Aufwand- und Prachtgesetze den Fürsten selber noch nötiger wären, wenigstens den höchsten Ständen, als den tiefsten – daß Rom seinen vielen Feiertagen viel von seiner Vaterlandliebe verdanke…. Flamin hatte für die kleine Perlenschrift der häuslichen Freude, für Aufgußblümchen des Vergnügens keine Augen; dafür hielt seine Seele mit einem Brutus gleichen Schritt, wenn er groß ans Bild des Pompejus trat und mit einem Seufzer über das Schicksal die Parzenschere in das größte Herz der Erde trieb, das seinen Wert mit seinem Recht verwechselte. Viktor hatte ein geräumiges Herz für die unähnlichsten Gefühle.
Ich kann es nicht oft genug wiederholen, daß heute der Kirchgang ist. Ich will ihn der Nachwelt abzeichnen, aber nicht mit jener Kürze, womit ein Zeitungschreiber den Leichenzug eines Königs auf drei Bogen bringt, sondern ein wenig umständlicher. Zu den pomphaften Anfangbuchstaben dieses Tages hatte das Pfarrhaus ganz andre Gründe in petto, als man meines Wissens unserem Zeitalter noch zu entdecken beliebte: betrügen wollten drei Teilnehmer einander, allemal zwei einen.
Betrügen wollte erstlich die Pfarrfrau den Helden, der nicht wußte, daß heute der Geburttag seines Vaters war, und daß dieser – freimütig von ihr eingeladen – heute auf fünf Minuten
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