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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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den Seidenbau, der Töchter ihre mit Sabbat-Wimpeln zu versorgen aus seinem Auerbachischen Hofe. – Unsern Helden kannte alles. Aus jeder Hundhütte wedelte ihm ein Hund entgegen, dem er Brot hineingeworfen; aus jedem Fenster schrien ihm Kinder nach, die er geneckt hatte; und viele Buben, vor denen er vorüberlief, hielten sich für glücklich, wenn sie eine Mütze aufhatten – sie konnten sie vor dem Herrn abnehmen. Denn sein erstes Treiben in St. Lüne war die Geschichte von St. Lüne, die aus den mündlichen Konduitenlisten der historischen Personen selber und aus der Reichspostreiterin, aus der Pfarrerin, geschöpft werden mußte. Letzte hielt als Plutarchin allemal zwei Charaktere wie Tücher zusammen; und ihr Mann las ihm nach bestem Wissen und Gewissen über die Kirchen- und Reformationgeschichte seines Beichtsprengels. Viktor legte sich auf diese mikrokosmische Weltgeschichte aus zwei Absichten: erstlich, um sie – welches Brotstudenten auch bei der größern vorhaben – rein wieder zu vergessen; zweitens, um im Dorfe so zu Hause zu sein wie der Bettelvogt oder die Hebamme, woraus er den Vorteil zu ziehen hoffte, daß er betrübt wurde, wenn ein St. Lüner verstarb, und fröhlich, wenn er vorher heiratete.
    – Jetzo schreitet die Geschichte wieder von einem Tage auf den andern fort, gleichsam auf den Steinchen im Strome der Zeit. –
    So schön war also der Frühling vor ihm vorübergegangen mit Sabbatwochen, mit den Pfingsttagen, mit weißen Blüten, die dem Lenze allmählich wie Schmetterlingflügel ausfielen; – Viktor hatte den Besuch Le Bauts verschoben, weil er dachte: »Ich muß ohnhin bald genug vom weichen Schoße der Natur herunter und auf das Hof-Drahtgestell hinauf und auf den Objektenträger (Thron) des Hof-Mikroskops«; – er hatte sich zwar täglich zugeredet, bald, noch vor Klotildens Ankunft, hinzugehen, um auf seine Absichten keinen Verdacht zu laden, aber immer vergeblich – – als plötzlich (denn tags vorher war der 13te Jun.) der 14te erschien und mit ihm Klotildens Gepäck ohne sie. Nun passierte er (wie die offiziellen Hundberichte enthalten) wirklich am 15ten den Bach von St. Lüne und ging über die Alpen der kammerherrlichen Treppen und schlug auf Le Bauts Kanapee sein Cäsars-Lager auf. Er wußte, daß heute niemand da war, nicht einmal Matz.
    »Der Himmel erhalt’ uns« (sagt’ er) »die Höflichkeit gesund; es wäre ohne sie nicht nur unter keinen Spitzbuben auszuhalten, sondern sie gibt auch Minutensteuer von Freuden, indes die Wohltätigkeit nur Quartalsteuer und Kammerzieler und Karitativsubsidien zahlt.« Herr und Frau Le Baut waren so höflich als nie (ich schwöre darauf, sie hatten etwas von Viktors Hof-Doktorhut und Doktorkrone ausgewittert); nur wußten sie nicht, was für ein Mundstück auf ein so närrisch gewundnes Instrument, wie Viktor war, aufzuschrauben sei. Wie alle Studierstuben-Schaltiere sprach er lieber von Sachen als Personen; Flamin aber umgekehrt. Für das Ehepaar gabs in keiner Messiade etwas Erhabeners, als daß jetzt am Johannistage die italienische Prinzessin kommen würde; davon konnte kein Sterblicher genug reden, zumal auf dem Dorfe. Ich weiß nicht, worin es Viktor versah, daß er die meisten Weiber auf die Meinung brachte, er liebe sie. Genug, die Kammerherrin, die in ihren Jahren nicht mehr Liebe , sondern den Schein der Liebe foderte, dachte: »Vielleicht!« Man verkenne sie nicht: sie brachte zwar allemal die erste Stunde mit einem Manne auf der Sternwarte der Beobachtung zu; aber die zweite nur dann im Jagdschirm , wenn die erste glücklich gewesen, und sie war kalt genug, um nicht mehr zu hoffen als zu sehen; sie verspottete sogar jeden, der bei ihr noch einer weiblichen Eitelkeit, Eroberungen zu leicht vorauszusetzen, anders schmeicheln wollte als öffentlich . Genug, sie beurteilte heute unsern Viktor zu günstig – in ihrem Sinn – oder zu ungünstig – in unserem; wie überhaupt die bloßen Hofleute nur bloße Hofleute erraten. – Von Klotilde sprach man kein Wort, nicht einmal von der Zeit ihrer Zurückkehr.
    Überhaupt hatte die Le Baut einen ungeheuren Stolz in sich gegen ihre Stieftochter zu bestreiten, von dem mir mein Korrespondent hätte melden sollen, worauf er sich steifte, ob auf Verhältnisse oder auf Verdienste; denn beides war reichlich da, indem die Kammerherrin von des jetzigen Fürsten seligem Herrn Vater die H— gewesen. – Ich und ein gescheiter Mann habens hin und her überlegt, ob sie dem

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