Saemtliche Werke von Jean Paul
Cäsar in der Liebe oder im Ehrgeiz gleiche. Der gescheite Mann sagt: »In der Liebe«, weil eine Frau die Liebe nie vergesse, wenn ein Fürst ihr Lehrer darin gewesen. Des sel. Herrn Vaters Herz hatte besonders zwei Schönheiten an ihr angebetet, die vor Zeiten von den Schotten so gern gefressen wurden, nämlich den Busen und den Steiß. Die Großen haben ihre eignen grossièretés, die den Kleinen nicht träumen. Ich würd’ es nicht drucken lassen, aber es war am ganzen Hofe bekannt, und also auch vielen meiner Leser. Da führte der Teufel die Zeit her, die ihre Sense hämmerte und alles wegmähte, was von beiden Reizen Überhang in ihr Gebiet gewesen. Nun hält bei Weibern an Höfen – es sei in einem Schulhof, Packhof oder Viehhof – die Eitelkeit, sobald der alte Saturn (d. i. die Zeit) diese mit seinem Sichelwagen und mit dem kleinen Geschütz aus seiner Sanduhr anfällt, einen der gescheitsten Rückzüge, die ich kenne – die Eitelkeit lässet sich aus einem Werke oder Gliede nach dem andern treiben – endlich aber wirft sie sich aus den weichen Teilen in die festen wie in feste Plätze , z. B. in Fingernägel, Stirne, Füße u. s. w., und da zieht sie der Henker selber nicht heraus. Die Kammerherrin mußte sich einen solchen festen Teil erst machen, nämlich eine gorge de Paris und einen cul de Paris: diese vier Grenzhügel ihres Reichs mußten täglich gegen die Grenzverrückung der Jahre aus Achtung für das Eigentum hergestellt und erhöhet werden. Daraus schließet nun der gescheite Mann, daß ihre Seele ihrem Körper immer Kaperbriefe schreibe.
Ich bin gerade der Gegenfüßler vom gescheiten Mann und verfechte, daß der Amor nur ihr frère servant, nicht ihr Logenmeister – ihr Adjutant, nicht ihr Generalissimus ist; – und dies darum, weil sie noch immer an der Wiederherstellung ihres ersten salomonischen Tempels, wo sie sonst am Hofe als Göttin neben dem Gott angebetet wurde, ihre eigne oder Le Bauts Hand anlegt – weil sie in diesem nichts heiratete als den Kammerherrnschlüssel und seine Assembleen und seine Hoffnungen des künftigen Einflusses – weil sie an Klotilden nicht das Gesicht, sondern das Gehirn anfeindet – weil ihre Liebe jetzt ohne Eifersucht ist. Nämlich sie stand mit dem Evangelisten Matthieu in einem gewissen Liebeverständnis, das sich (nach unserm bürgerlichen Gefühl) vom Hasse in nichts unterscheidet als in der – Dauer. Liebe-Persiflagen waren ihre Lieberklärungen – ihre Blicke waren Epigramme – seine Schäferstunden salzte er mit komischen Erzählungen von seinen Schäferstunden an andern Orten – und zur Zeit, wo ein heiliger Mann seinen Psalm abzubeten pflegt , waren beide ironisch. Eine solche erotische Verbindung ist nichts als die Unterabteilung irgendeiner politischen … Aber zurück zur Geschichte!
Der Kammerherr wollte seinem Gaste jetzt etwas zeigen, was einen Doktor und Gelehrten mehr interessierte. Zu dem Zimmer, worin das Etwas war, kam man durch der Kammerherrin und durch Klotildens Zimmer. Da man in jener ihrem einen Rasttag hielt: so standen Viktors Augen träumend auf Klotildens Silhouette fest, die Matthieu neulich aus dem Nichts geschnitten, und die die Kammerherrin hier aus Schmeichelei gegen den Schattenreißer unter Glas aufgehangen hatte. Sonderbarer-, d. h. zufälligerweise zersprang jetzo das Glas über dem schönen Angesicht, und Viktor und der Vater fuhren zusammen. Denn letzter war wie die meisten Großen aus Mangel an Zeit abergläubig und ungläubig zugleich; und bekanntlich hält der Aberglaube das Zerspringen eines Porträtglases für einen Vorboten des Todes des Urbildes. Der Vater warf sich ängstlich die Erlaubnis vor, die er Klotilden gegeben, so lange in Maienthal zu bleiben, da sie doch da ihre Gesundheit in unnützen jugendlichen Schwärmereien verderbe. Er meinte ihre Trauer um ihre begrabene Giulia; denn sie war (erzählte er) bloß vor Schmerz über diese, ohne alles Gepäck, am ersten Mai hieher geeilet; und sogar die Kleider der geliebten Freundin hatte sie heute mit unter den ihrigen geschickt. Er brach heiter ab; denn Matthieu kam, der Bruder dieser Giulia, der sich nur zeigen und beurlauben wollte, weil er, wie mehre von der Stief-Brüdergemeine des Hofs, der Prinzessin entgegenreisete.
Viktor wurde stiller und trüber; seine Brust quoll ihm auf einmal voll unsichtbarer Tränen, deren Quelle er an seinem Herzen nicht finden konnte. Und als man noch dazu durch Klotildens stilles leeres Zimmer ging, wo
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