Saemtliche Werke von Jean Paul
wirft. – O Geliebter, mein Hügel wird dann schon stehen, wenn deine innere Mitternacht anbricht; mit Jammer wirst du auf ihn steigen und ergrimmt in die sanften Sternenkränze blicken und rufen : ›Wo ist der, dessen Herz unter mir entzweigeht? Wo ist die Ewigkeit, die Maske der Zeit? Wo ist der Unendliche? Das verhüllte Ich greift nach sich selber umher und stößet an seine kalte Gestalt…. Schimmere mich nicht an, weites Sternengefild, du bist nur das aus Farbenerden zusammengeworfene Gemälde an einem unendlichen Gottesackertore , das vor der Wüste des unter dem Raume begrabnen Lebens steht…. Höhnet mich nicht aus, Gestalten auf höhern Sternen, denn zerrinn’ ich, zerrinnt ihr auch. Ein, ein Ding, das der Mensch nicht nennen kann, glüht ewig im unermeßlichen Rauche, und ein Mittelpunkt ohne Maß verkalkt einen Umkreis ohne Maß. – Doch bin ich noch; der Vesuv des Todes dampft noch über mich hinüber, und seine Asche hüllt mich zu – seine fliegenden Felsen durchbohren Sonnen, seine Lavagüsse bewegen zerlassene Welten, und in seinem Krater liegt die Vorwelt ausgestreckt, und lauter Gräber treibt er auf…. O Hoffnung, wo bleibst du?‹…
Walle trunken um mich, beseelter Goldstaub, mit deinen dünnen Flügeln, ich zerdrücke dein kurzes Blumenleben nicht – schwelle herauf, taumelnder Zephyr, und spüle mich in deine Blütenkelche hinab – o du unermeßlicher Strahlenguß, falle aus der Sonne über die enge Erde und führ’ auf deinen Glanzfluten das schwere Herz vor den höchsten Thron, damit das ewige unendliche Herz die kleinen, an Asche grenzenden nehme und heile und wärme!
Ist denn ein armer Sohn dieser Erde so unglücklich, daß er verzagen kann mitten im Glanze des Morgens, so nahe an Gott auf den heißen Stufen seines Throns?
Fliehe mich nicht, mein Teurer, weil mich immer ein Schatten umzingelt, der sich täglich verdunkelt, bis er endlich als eine kleine Nacht mich einbauet. Ich sehe den Himmel und dich durch den Schatten; in der Mitternacht lächle ich, und im Nachtwind geht mein Atem voll und warm. Denn, o Mensch, meine Seele hat sich aufgerichtet gegen die Sterne: der Mensch ist ein Engbrüstiger, der erstickt, wenn er liegt und seinen Busen nicht aufhebt. – Aber darfst du die Erde, diesen Vorhimmel, verachten, den der Ewige gewürdigt, unter dem lichten Heer seiner Welten mitzugehen? Das Große, das Göttliche, das du in deiner Seele hast und in der fremden liebst, such auf keinem Sonnenkrater, auf keinem Planetenboden – die ganze zweite Welt, das ganze Elysium, Gott selbst erscheinen dir an keinem andern Ort als mitten in dir. Sei so groß, die Erde zu verschmähen, werde größer, um sie zu achten. Dem Mund, der an sie gebückt ist, scheint sie eine fette Blumen-Ebene – dem Menschen in der Erdnähe ein dunkler Weltkörper – dem Menschen in der Erdferne ein schimmernder Mond . Dann erst fließet das Heilige, das von unbekannten Höhen in den Menschen gesenkt ist, aus deiner Seele, vermischt sich mit dem irdischen Leben und erquickt alles, was dich umgibt: so muß das Wasser aus dem Himmel und seinem Gewölk erst unter die Erde rinnen und aus ihr wieder aufquellen, eh’ es zum frischen hellen Trunk geläutert ist. – Die ganze Erde bebt jetzo vor Wonne, daß alles ertönt und singt und ruft, wie Glocken unter dem Erdbeben von selber erklingen. – Und die Seele des Menschen wird immer größer gemacht vom nahen Unsichtbaren – –
Ich liebe dich sehr! –
Emanuel.«
Horion las durch schwimmende Augen: »Ach,« wünscht’ er, »wär’ ich schon heute mit meinem unordentlichen Herzen bei dir, du Verklärter!« und jetzt fiel ihm erst die Nähe des Johannistages ein, und er nahm sich vor, ihn da zu sehen. Die Sonne war schon verschwunden, die Abendröte sank wie eine reife Äpfelblüte hinab, er fühlte nicht die heißen Tropfen auf seinem Angesicht und den Eistau der Dämmerung an seinen Händen und irrte mit einer von Träumen erleuchteten Brust, mit einem beruhigten, mit der Erde ausgesöhnten Herzen zurück. – –
– Beiläufig! ists denn nötig, daß ich eine Schutzschrift ausarbeite für Emanuel als Stilisten und als Styliten (im höhern Sinne)? Und wenn sie nötig ist, brauch’ ich darin etwas anders beizubringen als dieses – daß seine Seele noch das Echo seiner indischen Palmen und des Gangesstromes ist – daß der Gang der bessern entfesselten Menschen, so wie im Traume, immer ein Flug ist – daß er sein Leben nicht wie Europäer mit
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