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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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fremdem Tierblut düngt oder in gestorbnem Fleisch auswärmt, und daß dieses Fasten im Essen (ganz anders als das Überladen im Trinken) die Flügel der Phantasie leichter und breiter macht – daß wenige Ideen in ihm, da er ihnen allen geistigen Nahrungsaft einseitig zuleitet (welches nicht nur Wahnsinnige, sondern auch außerordentliche Menschen von ordentlichen abtrennt), ein unverhältnismäßiges Gewicht bekommen müssen, weil die Früchte eines Baums desto dicker und süßer werden, wenn man die andern abgebrochen – und dergleichen mehr? – Denn, aufrichtig zu sprechen, die Leser, die eine Schutzschrift begehren, bedürfen selber eine, und Emanuel ist etwas Besseres wert als einer – peinlichen Defension –
    Jetzo sprang dem Helden der Trost wie eine Quelle auf, daß er am Donnerstag seine Seelenwanderung durch die Natur, seine Reise, anhebe: »Beim Henker!« sagt’ er aufhüpfend, »was hat ein Christ da nötig, daß er Notmünzen schlägt und Trauermäntel umtut, wenn er am Donnerstage nach Kussewitz zur Übergabe der italienischen Prinzessin reisen kann – und am Sonnabend nach der Insel der Vereinigung und noch am nämlichen Tage, welches ein Tag vor Johannis ist, nach Maienthal zu seinem Teuern, zu seinem Engel?« –
    O Himmel, ich wollt’, er und ich wären schon über die Reise her – wahrhaftig sie kann, wenn mich nicht alle Hoffnungen belügen, vielleicht ganz erträglich werden! –
    – Unter der Wochenbetstunde des Mittwochs rollten zwei Wägen vor; aus dem vollen traten der Lord und der Fürst, aus dem leeren nichts. Die alte Appel hatte sich prächtig angekleidet und in die Speisekammer eingesperrt. Der Kaplan war glücklicher, er dozierte im Tempel. Man macht selten ein gescheites Gesicht, wenn man vorgestellt wird – oder ein dummes, wenn man vorstellt. Der Lord führte dem Fürsten seinen Sohn als ein Unterpfand seiner künftigen Treue in die Hände und ans Herz, aber mit einer Würde, die ebensoviel Ehrfurcht erwarb, als sie erwies. Mein guter Held betrug sich wie ein – Narr; er hatte weit mehr Witz, als unsre Achtung gegen Höhere oder die ihrige gegen uns verstattet; ein Talent, das außer dem Hof-Lehndienste sich äußert, kann als Hochverrat betrachtet werden.
    Sein Witz war bloß eine versteckte Verlegenheit, worin ihn zwei Gesichter und eine dritte Ursache setzten. Erstlich das fürstliche…
    – Wenn sich die Lesewelt beschwert, daß so allmählich, wie sie sehe, ein neuer Name und Akteur nach dem andern in diesen Venusstern hereinschleiche und ihn so voll mache, bis aus dem historischen Bildersaal ein ordentlicher Vokabelsaal werde, in welchem sie mit einem Adreßkalender in der Hand herumwandeln müsse: so hat sie wahrhaftig nur zu sehr recht, und ich habe mich selber schon am meisten darüber beschwert; denn mir bleibt am Ende doch die größte Last auf dem Halse, weil jeder neue Tropf ein neues herausgezogenes Orgelregister ist, das ich mit spielen muß und das mir das Niederdrücken der Tasten sauerer macht; aber der Korrespondent schickt mir im Kürbis, ohne anzufragen, alle diese Einquartierung zu, und der Schnakenmacher schreibt gar, ich sollt’ es nur der Welt sagen, es komme noch mehr Volk. –
    Das fürstliche Gesicht setzte den Helden in Verlegenheit, nicht weil es imponierte, sondern weil es dieses bleiben ließ. Es war ein Wochentags- und Kurrentgesicht, das auf Münzen, aber nicht auf Preismedaillen gehörte – mit Arabesken-Zügen, die weder Gutes noch Böses bedeuten – von wenigem Hof-Mattgold überflogen – eingeölet mit einem sanften Öl, das die stärksten Wellen erdrücken konnte – eine Art süßer Wein, mehr den Weibern als Männern trinkbar. Von den feinsten Wendungen, die Viktor zu erwidern gesonnen war, stand nichts zu hören und zu sehen; aber von passenden leichten desto mehr. Viktor wurde durch den Kampf und Wechsel zwischen Höflichkeit und Wahrheit verlegen. Die geselligen Verlegenheiten entstehen nicht aus der Ungewißheit und Unwegsamkeit des Steigs, sondern auf den Kreuzwegen der Wahl und zwischen den zwei Heubündeln des scholastischen Esels. Viktor, dessen Höflichkeit immer aus Menschenliebe entsprang, mußte die heutige aus Eigennutz entspringen lassen; aber dieses wollt’ ihm eben nicht ein. Außer dem Vater-Gesicht, vor dem schon bei den meisten Kindern das ganze Räderwerk eines freien Betragens knarrt und stockt, macht’ ihn drittens das verlegen und witzig, daß er etwas haben wollte. Ich kanns einem jeden – einen

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