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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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mit ihnen zu halten vonnöten habe, da ihm die Nutznießung dieser Verträge, die in nichts als im Halten oder Brechen besteht, offenklar als Eigentümer gebührt. Herr Herkommen sagt das nämliche auf allen Blättern und schwört gar dazu. – Ja kann es einen Dekan oder Rektor Magnifikus geben, der so wenig Vernunft annimmt, daß ihm – da doch nach einer allgemeinen Annahme ein König nicht stirbt und mithin Vor- und Nachfahrer zu einem Mann ineinanderverwachsen – nicht der Schluß daraus beizubringen ist, daß der Nachfahrer seine eigne Verträge für die seines Vorfahrers halten und mithin, da beide nur ein Mann sind, ebensogut wie geerbte brechen könne?
    Wer philosophisch darüber reden wollte, der könnte dartun, daß überhaupt gar kein Mensch sein Wort zu halten brauche, nicht bloß kein Fürst. Nach der Physiologie rückt der alte Körper eines Königs (eines Lesers, eines Berghauptmanns) in drei Jahren einem neuen zu; – Hume treibts mit der Seele noch weiter, weil er sie für einen dahinrinnenden (nicht gefrornen) Fluß von Erscheinungen hält. So sehr also der König (Leser, Autor) im Augenblick des Versprechens an dessen Haltung gefesselt ist: so unmöglich kann er noch daran gebunden sein im nächsten Augenblick darauf, wo er schon sein eigner Nachfahrer und Erbe geworden, so daß in der Tat von uns beiden am 4ten Mai hier kontrahierenden Wesen am heutigen Mai nichts mehr da ist als unsre bloßen Posthumi und Nachfahrer, nämlich wir. Da nun glücklicherweise niemals in einen und denselben Augenblick zugleich Versprechen und Halten hineingehen: so kann die angenehme Folge für uns alle daraus fließen, daß überhaupt gar keiner sein Wort zu halten verbunden sei, er mag Kuppel oder Sägespan eines Thrones sein. Auch die Hofleute (die Thron-Eckenbeschläge) setzen sich diesem Satze nicht darwider.
    Das Publikum wird gebeten, die Vorrede für den zweiten Schalttag zu halten, damit schönes Ebenmaß da ist.

9. Hundpostta g
     
    Himmels-Morgen, Himmels-Nachmittag – Haus ohne Mauer, Bette ohne Haus
    Ach der arme Bergmann, der Minierer im Steinsalz und der Insel-Neger haben in ihrem Kalender keinen solchen Tag, als hier beschrieben oder wiederholet wird! Sebastian stand Donnerstags schon um 3 Uhr auf dem Flugbrett seines Bienenstocks, um in Großkussewitz in einem Tage anzulanden und wegzusein, eh’ man auf war. Ein Leser, der einen Atlas unten auf dem Fußboden hat, kann unmöglich diesen Marktflecken, wo die Übergabe der Fürstenbraut vorgeht, mit einem Namenvetter von Dorf verwirren, den die Stadt Rostock zu ihrem unbeweglichen Vermögen geschlagen. Das ganze Haus hatte ihn leider so lieb, daß es schon eine halbe Stunde früher aus den Morgenfedern, woraus die größten Flügel der Träume gemacht werden, heraus war. Unter dem Getöse der Wagenketten, der Hunde und Hähne trennte er sein sanftes Herz von lauter liebenden Augen, und indem ihn das Klopfen des einen und das Erweichen der andern verdroß, wurde alles noch ärger; denn der äußere Lärm stillt den innern der Seele.
    Draußen schwammen alle Grasebnen und Samenfelder im Tropfbad des Taus und im kalten Luftbad des Morgenwinds. Er wurde darin wie heißes Eisen gehärtet; ein Morgenland voll unübersehlicher Hoffnungen umzog ihn, er entkleidete seine Brust, warf sich brennend ins tropfende Gras, wusch sich (aber aus höhern Absichten als Mädchen) das feste Gesicht mit flüssigem Juniusschnee und trat, mit straffen Fibern bespannt, aus dem Tropfbad in den Anzug zurück – bloß Haar und Brust steckt’ er in kein Gefängnis.
    Er wäre gewiß eher abgegangen; aber er wollte dem Monde ausweichen, den er so wenig mit der Sonne gatten konnte als die Kinder von beiden, nämlich Nachtgedanken mit Morgengedanken. Denn wenn die Morgenwolken um den Menschen tauen, wenn die liebenden Vögel schreiend durch den Glanznebel schießen, wenn die Sonne aus der Wolkenglut vorschwillt: so drückt der erfrischte Mensch seinen Fuß tiefer in seine Erde ein und wächset mit neuem Lebens-Efeu fester an seinen Planeten an.
    Langsam watete er durch einen niedrigen Haselstauden-Gang und streifte ungern ihre erkälteten Käfer ab; er hielt an sich und stand endlich, um sich zu verspäten, damit er nicht im nahen Wäldchen wäre, wenn gerade die Sonne ihr Theater betrat. Er hörte schon den musikalischen Wirrwarr im Wäldchen – Rosenwolken waren als Blumen in die Sonnenbahn gebreitet – die Warte des Pfarrdorfs, dieser Hochaltar, worauf sein erster schöner

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