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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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dem rechten Arme heraus. Es war ein Bettler, der vermutlich wie andre auf die Oberseeser Kirmes ziehen wollte und der schon seit gestern so still daliegen mochte, denn das Hündchen hatte den ganzen Bettelsack mit dem Mußteil darin schon beerbt und ausgekernt. Es blieb, als ich seinen Herrn sanft umwandte, wie ein amerikanisches schweigend daneben liegen und trieb mich nicht zurück, ob es gleich die Leichenwache hatte: ich kann mirs denken, abgetragner Pudel, wenn man gleich dir so arg verwundet und zerstoßen wird als ein Edler in einem Roman, so bellt man niemand mehr an und unterscheidet sich vom fetten bissigen Schoßkläffer: in den Rücken eines solchen armen ausgestreckten Hundes drückt das Schicksal die längsten Stacheln, und er murrt nicht, sondern wedelt nur.
    Nein, weder der rührt mich am meisten, der, überzogen vom Schlangengifte des Schmerzes und leichenblaß umgesunken, unter den Stichen schreiet und fortwimmert – noch der, welcher seine Brust erhebt und mit ihr den schweren eisernen Amboß des Stoizismus trägt und der nun das Schicksal auf dem Amboß ohne Erschütterung schmieden lässet – nicht diese beiden, sondern du rührst mich am tiefsten, du, der alles empfindet und alles verhehlt, dem lange und schwere Jahre das trockne Auge und die unbewegliche Lippe gegeben, dem die blaßroten Rosenblätter, die sich über das nagende Würmchen krümmen und es verbergen, ohne Rauschen alle entsinken und der alle Menschen, die dich beklagen wollen, nur schmerzlich anlächelt und zu ihnen sagt: es fehlt mir nichts…..
    Ich nahm mir vor, der Undertaker und curator funeris und Leichenbesorger beim alten armen Manne zu werden: ich griff deswegen in seine Taschen, die leider gleich Wespennestern und Fuchsbauen außer dem Eingang noch unten einen Ausgang hatten, und wollte mich in Besitz seiner hinterlassenen Briefschaften und andrer Verlassenschaft setzen. Die Erbschaftsmasse fiel aber kleiner aus, als zu vermuten war: sie belief sich auf einen Morgensegen und auf einen gelben zerbrochnen zerknitterten Brandbrief mit eingeschaltetem Wundzettel, worauf er aber – denn das wenigste war noch zu lesen – die letzten Jahre her unmöglich konnte gebettelt haben. Der Wund- und Brandbrief attestierte, Vorzeiger dieses sei ein Bergmann aus Viesel– – vermutlich Vieselbach bei Erfurt –, seines Namens Zaus oder Saus (man konnte die Buchstaben nicht unterscheiden), Vater von zwei lebendigen Kindern, dem das Lossprengen des Steins den rechten Arm weggerissen. Den Morgensegen, in Sedez, mit Nomparel-Fraktur gedruckt, las ich nicht ganz hinaus, da es schon nachmittags war; die übrigen Segen im Büchelchen samt dem Einband hatte der Erblasser abgegriffen und weggebetet, und man muß auf die Vermutung verfallen, daß er abends den Morgensegen repetiert habe, der auf den Teufel, gegen den der Segen des Tages zweimal wie eine Doppelflinte gehalten wurde, wie ein Rikoschetschuß wirken mußte.
    Ich ließ den stillen Siebenschläfer auf dem breiten, grünen Sterbebette und im Trauerhause der Erdkugel und nahm seine Relikten auf den Arm – den Hund – und ging in die Stadt zurück, um durch Polizei-Anstalten den alten Saus heute unter die Erde, worunter er so oft war, zum letzten Male zu bringen. Der Stadtrichter und der Adjunkt hatten ein froheres, geistreicheres Blut als Weinsolution im Herzen, und jener dankte dem Himmel für den Bettler, den er recht herrlich zum ersten Amtsaktus, zur Debit-Rolle verwenden konnte. Der Gerichtsfron zitierte als Leichenbitter den Schultheiß – dieser die Stadtgemeinde in die Holzung – ich und die zwei andern gingen voran hinaus. Das Ermenonville des Bergmanns, das statt der Zypressen Fichten um sich hatte, wurde bald mit Oberseesern, die heute faulenzen konnten, angefüllt.
    Der Stadtrichter fing an und sagte: »als zeitiger wohlbestallter Gerichtshalter von Obersees verordne und befehl’ er hiemit, daß der arme Bergmann Zaus ehrlich begraben werde noch heute.« Die halbe Trauerversammlung brummte: »Es kann auch ein Fallmeister sein, wir greifen ihn nicht an.« – Ich begann: »Hier ist ein Dokument, an das sich die Oberseeser Marktgemeinde halten kann.« – Ich verlas es. Die Weiber sagten (und guckten nach seinem Äquator, wo der Mensch und die Erde größere Dicke und höhere Berge hat als an den Polen): »sie könnten keines Arschleders ansichtig werden – er möge wohl aus weiter nichts sein als aus dem Schäfergeschlecht.« – Ein Garnweber sagte: »Vor drei

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