Saemtliche Werke von Jean Paul
die aber am Ende intolerant gegen die werden, die ihnen im Glauben, aber nicht im Sprechen ähnlichen. Ich setze meinen Stern zum Pfande, so wie einige Philosophen von ihrem Gott behaupten, die Schöpfung der Welt habe nicht die kleinste Änderung in seinem Wesen gemacht, daß ebenso der Adjunktus die wärmste Predigt erschaffen kann, ohne die geringste Änderung in sich zu erleiden. Unter allen Menschen wird es keinem so erschwert, sich für schlimm zu halten, wenn ers ist, als dem Geistlichen: seine heiligen Reden sieht er für heilige Werke an, seine Bußpredigten für Buße, seinen Priesterornat für den neuen Menschen, den er angezogen. Graukern nimmt sich noch dazu für einen göttlichen Gesandten und Botschafter: als Envoyé hat er folglich, wie andre Ambassadeurs, seine eigne Gerichtsbarkeit, Freistätte und seinen eignen Gottesdienst, nicht aber die und den des Volks, an das er abgelassen ist.«
Und doch ist Graukern noch leidlich daran; aber wenn ich über die armen Seelen-Heloten in der Schweiz (s. Spittlers Kirchengeschichte) nachdenke, die nach der formula consensus helvetici darauf verpflichtet werden, daß die Vokalpunkte der hebräischen Bibel vom heiligen Geiste eingegeben worden: so bejammer’ ich den redlichen Mann, in dessen wundem Herzen sich täglich die schneidende Wahl zwischen der Lüge und der Hungersnot erneuert. O ihr grausamen hebräischen Atomisten ! ist denn das unaussprechliche Glück, oder doch eine Vorstellung davon, wenn man zwar die Vergangenheit , aber doch nicht die Zukunft zu bereuen hat, so wenig in eure harte rohe Brust gedrungen, daß ihr fähig seid, diesen warmen vollen Himmel, nämlich den Vorsatz einer künftig-reinen Tugend, einem redlichen Geistlichen wegzureißen und ihn durch Hungersnot zu zwingen, daß er, nach tausend der Tugend und Wahrheit herzlich gern gebrachten Opfern, doch jeden Morgen seufzen muß: ach! beide verrat’ ich, solang’ ich die Göttlichkeit der Vokalen bezweifle und doch beschwöre und verbreite? O wie viele harte Kämpfe im Todesschweiße, wie viele bittre Tränen der frömmsten Herzen liegen auf eurer Seele, ihr, die ihr das reine Gewissen selber in das Marterinstrument einer schwachen Brust verkehrt und die ihr der Reue befehlt, nicht bloß die Erinnerungen bitter zu machen, sondern auch die Entschlüsse ! – Ists denn überhaupt nicht schon genug, wenn ein Mann sich anheischig macht, die hebräischen Konsonanten, und also zwei matres lectionis, die wenig von echten Vokalen verschieden sind, für göttlich zu erklären? Behilft sich nicht die ganze orthodoxe Judenschaft mit Bibeln ohne punktierte Arbeit? – – Ich bekenn’ es, in einem solchen Falle bemerkt man den Abstich fast mit Vergnügen, den hier gegen die Kantons und ihre formula consensus helvetici unsre deutschen Kreise, der obersächsische, der fränkische usw., machen, die alle eine Konkordien-Formel beschwören, worin auf die inspirierten Vokalpunkte – diese Blasen brennenden Sied- und Vokalpunkte des Gewissens – gar nicht sehr geachtet wird……
Ich sagte zu Weyermann: »Der meergrau-äugige Graukern hat sich abgeschlichen und kömmt gewiß nicht wieder« – als er wiederkam mit einem Tabaksbrief voll Zeitungen. Er teilte sie aus und nötigte mir die erste Nummer der Chronologie wegen auf. Ich schielte gegen die Avertissements, und mein Blick fuhr in eines – der Teufel muß gerade seinen Geburtstag gefeiert haben –, das einen gewissen Avanturier, der den Namen Torsaker und die Seraphinenkette diebisch führe, kanonisierte und baronisierte.
Um mich zu fassen, las ich langsam die ersten Zeitungsartikel – um froher zu Werke zu gehen und um den Adjunktus zu verwirren, erdichtete ich scherzhafte Avisen. Z. B. ich las daraus folgendes:
»Sachen, so gesucht werden.
Ein junger Mensch, der parlieren, gerben, ausbälgen, unterschreiben und befehlen kann, der schon bei vielen vornehmen und niedrigen Damen in Diensten gestanden, der gut tanzt, fährt, außerdem Geschmack hat in schönen Künsten und der ganz gesund ist (sitzen kann er übel), dieser Mensch, wovon das Zeitungskomptoir mehrere Nachricht gibt, sucht einen – Thron.«
Graukern spitzte sich auf mein Erstarren vor dem Avertissement. Ich schob seine Teufels-Schäferstunde immer hinaus; und machte mir eine Buchhändler-Anzeige zunutze, um mich zu wundern, daß die Bücher nicht, anstatt von ihren Verfassern, die immer parteiisch im Loben sind, und anstatt von ihren Rezensenten, die es im Tadeln sind,
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