Saemtliche Werke von Jean Paul
Schwarzenbacher Pfarrers an, um mit der gänzlichen Mittellosigkeit aller Beteiligten zu enden. –
Jean Paul lernte bereits in seiner Gymnasialzeit seine späteren Freunde Christian Otto und Johann Bernhard Herrmann kennen, jedoch ohne daß es zu einem besonderen Freundschaftsbund mit ihnen gekommen wäre. Aber die Freundschaft mit Adam Lorenz von Oerthel, die ihm für Jahre zum ausschließlichen Herzenserlebnis wurde, begann schon damals und riß sein Herz aus den Umklammerungen des rationalistischen Zeitalters heraus. Während er in Aufsätzen und Schulreden dem Geist der Berliner Aufklärung opferte, gab er sich, von der sentimentalen Siegwartepoche ergriffen, den Seligkeiten einer überschwenglichen Jugendfreundschaft hin. Während in seinen Arbeiten der nüchterne Diesseitsoptimismus der heterodoxen Aufklärung um seinen Ausdruck rang, war sein Herz von der Jenseitsseligkeit des Millerschen »Siegwart« ergriffen und schwärmte mit dem Helden von Hippels »Lebensläufen in aufsteigender Linie« auf Kirchhöfen von überirdischer Liebe und Freundschaft. Eine seltsame Vorwegnahme seiner späteren Romanepoche. Der Herzensüberschwang, dessen prophetischer Künder er viele Jahre später werden sollte, fand damals in ihm seine ersten, noch scheuen und keuschen Töne.
Jahre hindurch müssen wir Jean Paul noch bei seinem Ringen um die rationalistische Weltanschauung beobachten. Von seinem hingegebenen Freundschaftsgefühl für Adam von Oerthel aus verstehen wir erst, wie eiskalt und fremd ihn diese Welt der Aufklärung, die übermächtig auf den jugendlich Wehrlosen eindrang, angerührt haben muß, welche Berge von Fremdheit und Widerwillen ihn bedrückt haben müssen, ehe er endlich den Zugang zu der ihm eigenen Welt des Herzens fand. Es war schließlich des Freundes Tod, der ihm die Ketten des Rationalismus abzuwerfen die Kraft gab, und es waren des Freundes und seiner geliebten Beata Gestalten, die den Reigen seiner Dichtungen eröffneten.
Mit vollen Segeln trieb der bisher von allen Beglückungen des Gemeinschaftslebens Ferngehaltene auf den Ozean beseligender Freundschaftshingabe hinaus.
Adam von Oerthel war über eine angeborene Hypochondrie hinaus unglücklich. Sein Vater, der Kammerrat von Oerthel, war einer jener kaltherzigen, erfolggierigen Emporkömmlinge, die Jean Paul später fast in jedem seiner großen Romane gezeichnet hat. Von Hause aus Kaufmann in Hof, hatte er durch Geiz und nicht immer reinliche Geschäfte ein Vermögen zusammengebracht, das ihn schließlich in den Stand setzte, die Güter Töpen, Hohen- und Tiefendorf (nördlich von Hof) und damit den Adel und den Kammerratstitel zu erwerben. Auch in seinem neuen Stande blieb er als Geizhals berüchtigt und sah von dem Standpunkt des erfolgreichen Selfmademannes auf jedes Bildungsbestreben hinab. Seinen Sohn ließ er in Leipzig darben, so daß Adam trotz seines reichen Vaters als Student kaum weniger Not gelitten hat als Jean Paul. Schon während der Schulzeit muß sich der Gegensatz zwischen Vater und Sohn bemerkbar gemacht haben. Ein Gegensatz, den auch die feinfühlige Mutter Adams nicht überbrücken konnte.
Zu diesen, den zarten und gemütstiefen Jüngling beschwerenden Familienverhältnissen trat die Liebe zu der ein Jahr älteren Beata von Spangenberg von dem benachbarten Gut Venzka hinzu, eine Liebe, die schon durch das Alter Beatens zur Hoffnungslosigkeit verurteilt war, und von der Beata selbst wohl erst spät erfahren hat. In schwärmenden Gesprächen mit dem Freunde mag der unglücklich Liebende die Erfüllung seiner Sehnsucht in ein besseres Jenseits verlegt und seinem Dasein die Kirchhofsstimmung gegeben haben, die seinem weichen Innern entsprach und die ein frühzeitiger Tod bereits als Schatten vorauswarf.
Oerthel wohnte als Höfer Gymnasiast in einem kleinen Gartenhause, das der Vater ihm in ärmlicher Gegend gemietet hatte. Es lag an einem Arm der von Bäumen umsäumten Saale inmitten der Gärten, die zum Flußufer hinuntergingen, mit romantischem Blick auf eine Vorstadtinsel, baumreiche Gärten und einen heiteren Wiesengrund. »Anmutig, ja entzückend«, schreibt Christian Otto, »mußte dieser Aufenthalt für befreundete Jünglinge sein, wenn sie sich vertraulich miteinander unterhielten oder mit Klavierspiel und Singen vergnügten oder der Musik zuhörten, die aus der Nachbarschaft zu ihnen hertönte. Den höchsten Reiz mußte neben der Poesie der Jugend… der Einfluß des Zeitalters gewähren, in welchem
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