Saemtliche Werke von Jean Paul
redlich, wenigstens zu meinem Vorteil, gehalten«. Die Ankunft dieses Briefes war einer jener Augenblicke, die bis zu seinem Lebensende in ihm fortschwangen.
Voß bot ihm in dem Briefe ein Honorar von fünfzehn Louisdor an. Jean Paul bat, die Summe auf sechzehn Louisdor zu erhöhen. »Shandy war ein Freund der ungeraden Zahlen, ich bin einer der geraden.« Sein Antwortschreiben an Voß ist von der ganzen zurückgehaltenen Seligkeit eines jungen Schriftstellers erfüllt, der an seinen ersten Verleger schreibt. Aber es war auch hohe Zeit, daß das Verlagsangebot an ihn herantrat. »Sie werden daher nicht Mangel an Höflichkeit, sondern nur Mangel an Geld in der Bitte finden, daß Sie mir noch vor den Feiertagen das Honorarium schicken möchten.« Mit seiner Antwort übersandte er auch den bis dahin zurückgehaltenen Schluß des Manuskripts, in dem sich die Stelle befindet: »Bis hierher hab’ ich etwas zu sagen verschoben, was vielleicht jeder Leser schon auf der ersten Seite erraten, nämlich dies: daß der Verfasser dieser Skizzen noch jünger ist als die, die ihn rezensieren werden.« Er hatte gefürchtet, daß das Eingeständnis seiner Jugendlichkeit den Verleger abschrecken könnte.
Am 17. Dezember bereits erhielt er von Voß sechzehn Louisdor für sein Buch. Der Druck ging schnell vorwärts. Schon am 20. Februar 1783 konnte der glückliche Autor ein Freundschaftsexemplar an Pfarrer Vogel schicken. »Gottlob! nun ist der steile Berg erstiegen; ich ziehe den Hut ab und das Schnupftuch heraus und wische mir den Schweiß von der heißen Stirne.«
Der Satirenschreibe r
Auch als Jean Paul mit seinen Romanen in seine eigentliche dichterische Welt vorgestoßen war, blieb er seiner Satirendichtung bis zu einem gewissen Grade treu. Als Dichter rang er mit dem Urerlebnis, als Satirenschreiber immer noch mit den Bildungserlebnissen, die ihn in seiner Jugend erfüllt hatten. In seinem stark entwickelten Lebensoptimismus, in seinem Glauben an die Verbesserungsfähigkeit der Welt, an die»Behebbarkeit des Übels« trug er das Ideenerbe der Aufklärung bis zu seinem Tode in sich aus. In den eingeschobenen Extrablättern, seinen satirischen Abschweifungen, die alle seine ernsten Dichtungen durchziehen und immer wieder unterbrechen, rang er mit dem literarischen Erbe der Zeit, die ihm die ersten und stärksten Eindrücke vermittelt hatte.
Wir haben heute den Eindruck, als beginne mit unserer klassischen Epoche eine ganz neue Zeit der Dichtung, die von allem Vorhergehenden durch einen starken Trennungsstrich unterschieden wäre. Dieser Trennungsstrich ist aber erst durch die Romantik und ihre scharfe Kampfeinstellung gegen den Rationalismus gezogen worden, und zum Unglück für das deutsche Volk wurden dadurch Traditionen aufgegeben, deren Fortwirkung uns vor vielem hätte bewahren können. Jean Paul ist der einzige Träger der geistigen Tradition der Aufklärung, der ihr Bildungsgut bis weit ins 19. Jahrhundert hinein mit sich führte. Das machte ihn selbst Goethe, der auf der Höhe der Bildung seiner Zeit zu stehen glaubte, und Schiller gegenüber, der allzu einseitig an Kant orientiert war, überlegen. Und als er sich in seiner »Vorschule der Ästhetik« mit den praktischen künstlerischen Problemen der Zeit theoretisch auseinandersetzte, konnte dieses unsterbliche Werk lediglich deshalb keine Wirkung ausüben, weil allen Lesern der Zeit die Universalität des Geistes und der Bildung des 18. Jahrhunderts fehlte, um Jean Pauls Gedankengänge in allen ihren Tiefen zu überschauen. Neben ihm sind alle die Dichter und Schriftsteller der Zeit auf philosophisch-ästhetischem Gebiet mehr oder weniger harmlose Dilettanten. Wie ein Koloß ragt die »Vorschule der Ästhetik« unter den theoretisierenden Schriften hervor, und selbst von Lessing wird ihre Bedeutung nicht überschattet.
In der »Vorschule der Ästhetik« hat sich Jean Paul fast zwanzig Jahre später mit dem Bildungsgut der Aufklärung auseinandergesetzt, das ihn zur Zeit seiner »Grönländischen Prozesse« beherrschte. Von hier aus erst verstehen wir, wie er Jahre um Jahre seines Lebens an das Schreiben von Satiren wenden konnte, die uns heute völlig ungenießbar geworden sind und die zur Zeit ihres Erscheinens ebenfalls bereits in eine fremde Welt hineinragten.
Im ersten Band der »Vorschule« gibt er ein Beispiel ironischer Behandlung eines Gedankenganges. Zuerst führt er einige ironische Mustersätze über die Parteiigkeit und Unsachlichkeit der
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