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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Oerthel hatte ihm in der Gymnasiastenzeit den kurzen Vorfrühling einer sentimentalen Epoche geschenkt, und sein früher Tod löste ihm endlich die Dichtersprache. Hermann schenkte ihm nicht weniger. Seine zerrissene Persönlichkeit vermittelte Jean Paul das Erlebnis eines tragischen Realismus, eines Leidens an den erdgebundenen Diesseitigkeiten, in die die Sinne sich dennoch in Ekel und Wollust einwühlen.
    Hermann war zwei Jahre vor Jean Paul als Sohn eines armen Zeugmachers in Hof geboren worden. Ein Jahr nach Jean Paul hatte er das Hofer Gymnasium verlassen, zusammen mit den beiden ältesten Brüdern Otto. Schon bis zum Schulabgang war er also um etwa drei Jahre hinter Jean Paul in seinem Entwicklungsgange zurückgeblieben. Nicht aus mangelnder Begabung, sondern aus drückendster Armut, die ihn immer wieder von regelmäßigem Schulbesuch ausschloß und zu niedrigsten Arbeiten zwang. Täglich mußte er in dem väterlichen Betrieb eine bestimmte Menge Garn abspulen, überdies seine kleineren Geschwister warten, bevor er daran denken konnte, seine Schulausarbeitungen zu machen oder selbst Unterricht zu geben, um sich das Schulgeld zu verdienen. Eine glühende Liebe zu den Wissenschaften ließ ihn das Martyrium einer solchen Jugend ertragen, aber nicht ohne schwere Schädigungen seiner Gesundheit, die seinen frühen Tod unter qualvollen Umständen herbeiführten. Hermann war der größte Gegensatz zu dem zarten und weltschmerzlerischen Oerthel, und es ist leicht zu verstehen, daß eine Freundschaft mit diesem eine engere Verbindung mit jenem nahezu ausschloß. Ob Jean Paul bereits während seiner Gymnasiastenzeit mit Hermann in näheren Beziehungen stand, ist fraglich. Ganz eindruckslos konnte eine solche Erscheinung den jungen Dichter kaum lassen, und wahrscheinlich hat er ihn zum mindesten wissenschaftlich schon früh beeinflußt.
    Der krassen Art entsprechend, mit der sich Hermann mit den Realitäten des Lebens abfand, gehörte den Naturwissenschaften seine eigentliche Neigung, und auf diesem Gebiet muß er schon früh erstaunliche Kenntnisse gesammelt haben. Trotz seines unregelmäßigen Entwicklungsganges veröffentlichte er bereits mit neunzehn Jahren zwei naturwissenschaftliche Schriften, »Über die Mehrzahl der Elemente« und »Über Licht, Feuer und Wärme«, und es ist anzunehmen, daß auch schon in seiner Schulzeit naturwissenschaftliche Gedankengänge ihn vorwiegend beschäftigten. Eine Reihe von Abhandlungen, die Jean Paul bereits als Gymnasiast und Mulus schrieb oder skizzierte, scheint auf Hermanns Einfluß zurückzugehen: »Ein Ding ohne Kraft ist nicht möglich« – »Ist die Welt ein perpetuum mobile ?« – »Wie sich der Mensch, das Tier, die Pflanze und die noch geringeren Wesen vervollkommnen« u. a. Dennoch bezeugt die formelle Anrede der Freunde in den Briefen, daß sie sich erst später nähergekommen sein können.
    Nach seinem Abgang von der Schule schlug sich Hermann eine Zeitlang mit Informationen durch und war gegen Ende des Jahres 1781 als Lehrling in die Fischersche Apotheke in Hof eingetreten. Bald darauf beginnt der Briefwechsel mit Jean Paul, der bis zum Tode Hermanns im Jahre 1790 unausgesetzt geführt wurde. In einem Brief vom 9. Januar1782 bestürmte Jean Paul den neu gewonnenen Freund, den verzweifelten Entschluß, Apotheker zu werden, aufzugeben und sich in Leipzig dem Studium der Medizin zu widmen. »Durch Informieren kommen Sie fort, welches die große Anzahl der Studenten hier ernährt.« Ein Satz, der zu denken gibt. Unmittelbar nachdem Jean Paul seinen Beratern die Unmöglichkeit, sich in Leipzig durch Informationen durchzuschlagen, auseinandergesetzt, rät er Hermann, der, wie er wußte, nicht die geringste Summe einzusetzen hatte, sein Glück ganz auf die Möglichkeit von Informationen in Leipzig zu setzen. Dieser Widerspruch ist, wenn man nicht annehmen will, daß Jean Paul gewissenlos handelte, nur dadurch zu erklären, daß er selbst seine Zeit nicht durch Stundengeben vergeuden, sondern ganz auf sein Werk konzentrieren wollte. Ein Entschluß, den er selbst in Zeiten furchtbarster Not mit der ihm eigenen Zähigkeit aufrechterhielt.
    Während der kurzen Ferientage wird das brieflich angebahnte Freundschaftsverhältnis zwischen den beiden durch ähnliches Schicksal Verbundenen persönlich bekräftigt worden sein. Es war der einzige Gewinn seines ersten Besuches in der Heimat.
    Unmittelbar nach der Abreise starb der Gerichtsadvokat und Goldarbeiter Riedel, der

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