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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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unmöglich war. Aus einer Neuordnung und Herausgabe der Hermannschen Schriften wurde nichts, und wir bleiben über seine eigentliche Bedeutung im Dunkeln. Vielleicht war er einer jener Unglücklichen, früh Entrissenen vom Schlage der Weininger, nur daß sein Werk noch nicht zu Ende gediehen war. So leuchtet er nicht mit eigenem Licht in die Zukunft hinein, und nur daß er in einigen Gestalten unsterblicher Werke weiterlebt, ist seine Unsterblichkeit. Leibgeber und Siebenkäs und Vult und Dr. Katzenberger steigen aus seinem Grabe, mit ihren Wurzeln von seinem Blut sich nährend.
    Anfang März endlich erklärte sich Jean Paul zur Übersiedlung nach Schwarzenbach bereit. Amtsverwalter Clöter stellte ein Fuhrwerk und sandte, statt eines Koffers, eine – Tonne, die die Habseligkeiten des neuen Schulmeisters aufzunehmen hatte. Unter glücklicheren Auspizien als die Abreise aus Töpen stand diese neue Fahrt. Clöter, auf Jean Pauls mythisch verankerten und mit ein wenig Selbstverspottung geübten Aberglauben ironisch anspielend, riet, doch ja zur Reise die Zeit des zunehmenden Mondes abzuwarten. Jean Paul, den Ton aufnehmend, antwortete indes zukunftsfreudig, »daß, da die Erde der Mond des Mondes sei, dieselbe bei jenes Abnehmen zunähme, mithin auch er im zunehmenden Licht der Erde und folglich des Stückchens, das man Schwarzenbach nenne, dort ankäme.« Und in der Tat sollte das Stückchen Erde, das Schwarzenbach heißt, bald für ihn in zunehmendem Lichte liegen.
    Diesmal ging es nicht in einen fremden Haushalt. Die Erfahrungen von Töpen hatten ihn belehrt. Clöter wollte den von ihm fast allzu stürmisch geliebten Jüngling ganz in sein Haus ziehen, aber Jean Paul stellte die Bedingung, daß er in einem kleinen Schulmeisterhäuschen untergebracht würde und abwechselnd bei den Freunden zu Tisch erschiene. Seine innere und äußerliche Unabhängigkeit wollte er diesmal nicht wieder aufs Spiel setzen. Um aber den für seine erzieherischen Pläne notwendigen Zusammenschluß sicherzustellen, wurde beschlossen, daß Erzieher, Eltern und Zöglinge jeden Mittwoch in einem Gasthaus, außerhalb des Ortes in einem malerischen Birkenwäldchen gelegen, zusammenkommen sollten. In welchem Geiste er diese Zusammenkünfte aufgefaßt wissen wollte, zeigte seine bald nach der Übersiedelung entstandene »Birkenpredigt mit ihren vier Seligpreisungen und dem Schlußsatz: ›Verdammt sind bloß die, die keinen Spaß verstehen; denn diese verstehen auch keinen Ernst.‹« Schon damals also hatte Jean Paul eine Einrichtung im Sinne, die wir heute als »Elterntage« bezeichnen würden. Aber Elterntage in welchem Geiste! Jean Paul war sich darüber klar, und er hat es in der»Levana« deutlich genug ausgesprochen, daß die wichtigste Voraussetzung einer Jugenderziehung erzogene Eltern sind. Von dem Geiste seines Unterrichts sollte ein Hauch in die Häuslichkeit seiner Zöglinge zurückschlagen. Das Entscheidende aber scheint, daß bei diesem erzieherischen Reformwerk der Humor nicht ausgeschaltet, sondern gerade diese Kraft fruchtbar gemacht wurde. Wieviel heiligernste Reformpläne sind seitdem, zum großen Teil an Jean Pauls Gedanken anschließend, ins Werk gesetzt worden. Ihnen allen aber fehlte es an der beschwingenden Kraft des Humors, die Jean Paul in so reichem Maße zur Verfügung stand.
    In dieser Berührung mit einer ganzen, ihm anvertrauten Kinderschar entdeckte der junge geniale Erzieher auch in sich Neuland. Nicht wie eine Last, des Broterwerbs halber, übernahm er die ihm gestellte Aufgabe, und er improvisierte auch keineswegs frisch darauf los. Was ihm als Erziehung vorschwebte, hatte sich ihm wohl schon in Töpen zu Grundsätzen verdichtet, die allerdings dort um so weniger auszuführen waren, als er auf den Geist der Häuslichkeit seines Zöglings keinen Einfluß hatte. Diesmal hatte er sich diesen Einfluß durch kluge Maßregeln gesichert und wahrte ihn bis zum Ende seiner Schwarzenbacher Zeit. Wir werden uns mit der Art seiner Erziehung, die er fünfzehn Jahre später in seiner»Levana«, einem der wichtigsten Werke der Pädagogik, zusammenfaßte, noch ausführlich zu beschäftigen haben. Denn diese Tätigkeit leitete unmittelbar in seine große Dichtung über.
    Seine Schülerschar setzte sich aus sieben Kindern zusammen. Sechs Knaben im Alter von sieben bis fünfzehn Jahren und einem neunjährigen Mädchen. Der älteste Knabe war der Sohn des Kommissionsrats Vogel, zwei andere waren Söhne des Pfarrers Völkel, der

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