Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
Vom Netzwerk:
den das junge Genie mit der menschlichen Gesellschaft machte, und nach seiner Art konnte er diesen Frieden nicht ohne einen besonderen Traktat vorübergehen lassen. Zunächst an die Brüder Otto mag wohl das folgende »Avertissment« gerichtet worden sein:
    »Endesunterschriebener steht nicht an, bekannt zu machen, daß, da die abgeschnittenen Haare so viel Feinde haben wie die roten; und da die nämlichen Feinde zugleich es von der Person sind, worauf sie wachsen; da ferner so eine Tracht in keiner Rücksicht christlich ist, weil sonst Personen, die Christen sind, sie haben würden; und da besonders dem Endesunterschriebenen seine Haare so viel geschadet wie dem Absalom die seinigen, wiewohl aus umgekehrten Gründen; und da ihm unter der Hand berichtet worden, daß man ihn ins Grab zu bringen suche, weil da die Haare unter keiner Scheere wüchsen: so macht er bekannt, daß er freiwillig so lange nicht passen will. Es wird daher einem gnädigen hochedelgeborenen pp Publikum gemeldet, daß Endes Unterzeichneter gesonnen ist, am nächsten Sonntage in verschiedenen wichtigen Gassen mit einem kurzen falschen Zopfe zu erscheinen und mit diesem Zopfe gleichsam wie mit einem Magnete und Seile der Liebe und Zauberstabe sich in den Besitz der Liebe eines jeden, er heiße wie er wolle, gewaltsam zu setzen.« Durch die skurrile Art, mit der er die Angelegenheit behandelt, schimmert deutlich der Ernst hindurch. In einem fast neun Jahre durchgeführten Kampf, der ihm schon den Genuß seiner Leipziger Gartenwohnung verkümmert hatte, gab er dem Drängen der Freunde und den Forderungen der Welt nach. Ein Symbol des Kampfes gegen die Gesellschaft sank hin, und er merkte bald die für ihn wohltätigen Folgen. »Ich habe mich enthülset und meinen bisher broschierten Leib in Franzband eingebunden«, schreibt er an Vogel. »Meinen Hals presset jetzt das Zilizium und der Ringkragen einer Binde und meine Haare laufen in ein Suffixum und einen accentus acutus aus, den man hie zu Lande einen Zopf nennt. Ich merke aber sehr, daß andere Menschen, seit ich meinen alten Adam ausgezogen, gegen mich den neuen bessern angezogen.« Während er diese Zeilen an den alten Freund und Berater schrieb, erhielt er die Tochter des Postmeisters von Hof, Renate Wirth, als Schülerin und kam somit mit dem jungen Mädchen in nähere Verbindung, die für ihn in den nächsten Jahren die wichtigste Herzensverbindung sein sollte. Die Familie Wirth gehörte wohl zu den ersten, die gegen ihn einen neuen Adam anzog, wie er sich ausgedrückt hatte.
    Und dennoch lag es wohl mehr an seinen Arbeiten als an den neuen Bekanntschaften, daß er die Übersiedlung nach Schwarzenbach noch immer hinauszog. Zu Neujahr hatte er zu kommen versprochen, aber der Anfang des neuen Jahres sah ihn immer noch in Hof und keineswegs mit Umzugsvorbereitungen beschäftigt. Vielleicht war durch das Bemühen seiner Freunde, vorzüglich Ottos, die größte Not seiner Familie gelindert, und die vielen Einladungen, die er nach Venzka und Arzberg erhielt, mochten ihn das häusliche Elend nicht so sehr fühlen lassen. Da wurde dieses Dasein jäh unterbrochen durch den Tod Hermanns, der am 3. Februar
1790 in
Göttingen erfolgt war. Obwohl dieses Ereignis vorausgesehen werden konnte, traf es ihn doch mit der ganzen Wucht einer plötzlichen Katastrophe. Ein Göttinger Freund des Verstorbenen gab ihm die erste Nachricht und übersandte ihm einen Brief, den Hermann an ihn zu schreiben begonnen hatte, und den der Tod mitten im Satz abbrach. Er beschwor ihn, den Nachlaß des Freundes zu betreuen und seine Papiere ihm zu übermitteln, der »wie ein Abgebrannter um den Aschenhaufen geht und die geretteten Überbleibsel seiner vorigen Freuden auflieset«. »Als mein Bruder starb,« schrieb er an den Amtsverwalter Clöter in Schwarzenbach, die erneute Verzögerung seiner Übersiedlung erklärend, »glaubt ich nicht, daß noch ein Tag kommen könnte, der das Herz mehr zerquetschte; aber der Tag kam, Hermann starb an seiner mit einem Steckfluß beschließenden Hypochondrie, mein von der Natur geliebter, vom Glück gehaßter Freund.« Eine Welt von Schmerzen und Ahnungen drang auf ihn ein. Er fühlte, daß ihm etwas Ungeheures geschehen war, viel mehr als beim Tode Oerthels, und über ein Jahr lang irrte er um den schriftlichen Nachlaß des Geliebten, um aus ihm sein Bild erstehen zu lassen. Ein Denkmal wollte er ihm aus des Freundes eigenen Schriften und kühnen Systemen errichten, bis er einsah, daß es

Weitere Kostenlose Bücher