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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Humor zum höchsten Lyrismus auf, weil er aus Einfällen von göttlicher Gnade seine Welt erbaut. Der Humor ist aber auch die höchste Sinnlichkeit. Ein Einfall eines witzigen Bildes wiegt hundert erdachte und künstliche Allegorien auf. Diese Ausführungen gipfeln in der Darlegung der »Notwendigkeit deutscher witziger Kultur«. Niemals war Humor in diesem tiefen Sinne behandelt worden, wie es hier durch Jean Paul zum erstenmal geschah. Erst in diesem Erfassen des Humors rundete sich seine »Vorschule der Ästhetik« zu der Grundlegung einer den Kern des deutschen Wesens ausdrückenden Poetik. Hier war der deutschen Dichtung ein neuer Schwerpunkt, fern von der griechischen Schönheitslinie, geschaffen worden. Darin liegt die tiefe Bedeutung der Kunsteinstellung Jean Pauls. Schon in der »Geschichte meiner Vorrede« hatte er dem Kunstrat Fraischdörfer gegenüber die krause und zackige Linie des Humors ausgespielt und zum erstenmal auf seine Absicht hingewiesen, seine ästhetischen Anschauungen in einer Abhandlung niederzulegen. Schon damals wußte der Dichter also, daß im Humor der Kernpunkt nicht nur seiner Anschauungen, sondern seines Schaffens lag. Der Rationalismus hatte dem deutschen Geist seine Anmut und Beweglichkeit genommen. »Bei den Deutschen sind die Ideen wand-, band-, niet- und nagelfest; der Witz aber gibt uns Freiheit, indem er Gleichheit vorher gibt. Er ist für den Geist, was für die Scheidekunst Feuer und Wasser ist: chemica non agunt nisi soluta , nur entbundene Körper schaffen neue. Er ist von Natur ein Geister- und Götterleugner, er ist der verkleidete Priester, der jedes Paar kopuliert; er nimmt an keinem Wesen Anteil, sondern nur an dessen Verhältnissen; er achtet und verachtet nichts, alles ist ihm gleich, sobald es gleich und ähnlich wird. Wenn der Geist sich ganz frei gemacht hat, wenn der Kopf nicht eine tote Polterkammer, sondern ein Polterabend der Brautnacht geworden, wenn zwar ein Chaos da ist, aber darüber ein heiliger Geist… wenn dieser Dithyrambus des Witzes… den Menschen mehr mit Licht als mit Gestalten füllt: dann ist ihm durch die allgemeine Gleichheit und Freiheit der Weg zur dichterischen und philosophischen Freiheit und Erfindung aufgetan.«
    Hier schlagen sich wieder Gedankenbrücken zu jenem andern Gebiet, das ebenfalls im Mittelpunkt von Jean Pauls Schaffen steht: der Erziehung. Von hier aus erst verstehen wir, weshalb er den Witz für eines der großen Erziehungsmittel hält und weshalb er in seiner Schwarzenbacher Winkelschule geradezu Anleitung zur Erfindung von Witz und zur Hervorbringung von Gedankenblitzen gab. Auch in der »Levana oder Erziehlehre« sollte der Witz den eigentlichen Kern- und Lösepunkt des ganzen Systems bilden. Er war Jean Pauls großes Erziehungsmittel zur geistigen Freiheit und zugleich zur Bindung des Spieltriebes und der andern Triebe.
    Man kann den Gedankengängen der Vorschule nicht in alle Einzelheiten hinein folgen, obwohl gerade der zweite Teil mit dem überwältigenden Reichtum seines Materials dazu reizt. Auch darin nimmt Jean Paul die spätere Romantik vorweg, daß er hier zum erstenmal den Versuch unternimmt, die Entwickelung der Literatur historisch zu deuten. Im allgemeinen wird der Romantik das Verdienst zuerkannt, die moderne Geschichtsforschung begründet zu haben. Aber auch diese Seite der Romantik geht auf Herder zurück, der als erster mit historischem Blick an die Vergangenheit herantrat. Als Beginn der Literaturgeschichte bezeichnet man gewöhnlich das berühmte siebente Buch von Goethes »Dichtung und Wahrheit«. Aber unendlich sorgfältiger und unter viel tiefer greifenden Gesichtspunkten rollt Jean Paul Literaturgeschichte vor uns auf, und vorwiegend von der humoristischen Dichtung, von Aristophanes an bis zu den Engländern des 18. Jahrhunderts, gibt er eine fast lückenlose Überschau.
    Nur selten greift Jean Paul in seinen Darlegungen auf seine eigenen Gestalten zurück, aber alle, die ihm am Herzen liegen, finden hier ihre metaphysische Grundlegung. In den Ausführungen über den Humor ist es vornehmlich sein Liebling Schoppe alias Leibgeber, dessen Lebensstationen hinter Jean Pauls Ausführungen deutlich vor unser Auge treten. Auf der Basis des eigenen Schaffens beruhen auch die Ausführungen über »Charaktere«, über die »Geschichtsfabel des Drama und des Epos«, über den »Roman«, über die »Lyra«, über den »Stil und die Darstellung«. Hier gibt er uns intime Einblicke in die Werkstatt des

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