Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
Vom Netzwerk:
seinen besonderen Bedingungen heraus verstanden. Was hier, mit den Augen Herders gesehen, über Griechentum gesagt wird, reicht viel tiefer hinab als alles, was seit Lessing die idealistisch klassische Epoche hervorbrachte. Jean Paul und seiner Zeit fehlten freilich noch die historischen Grundbegriffe. Er konnte noch nicht erkennen, daß das Griechentum Goethes im Grunde von spätrömischen Zivilisationsmomenten überwuchert war, wie ja bereits Lessings Laokoon das griechische Bildungsideal aus einer spätrömischen Skulptur abgeleitet hatte. Der große Abschnitt der Vorschule »Über die griechische oder plastische Dichtkunst« ist die letzte Abhandlung der Zeit, die das historische Griechentum an ihren Wurzeln faßt. Unmittelbar nach ihr versiegte der Herdersche Geist in Deutschland. Was durch diesen großen Welthistoriker und Jean Paul erarbeitet war, ging unter in der »griechenzenden« Nachahmung einer unwirklichen und konstruierten »Antike« und mußte in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts durch Nietzsche erst wieder erobert werden. Aber unsere Schulen und Bildungsanstalten sind noch heute von diesem »griechenzenden« Ideal der Antike besessen, das zu leerem und formalem Kunstenthusiasmus hinführt statt zu lebendiger Erneuerung aus griechischem Geiste. Dem Freiheitsgefühl des griechischen Menschen werden die abgestorbenen Instinkte der spätrömischen Kaiserzeit untergelegt, als hätte nie ein Herder die lebendigen Quellen des Griechentums erschlossen und in die deutsche Seele hineingeleitet.
    Jean Paul gibt von dem griechischen Menschen und der griechischen Welt ein tief in das Bewußtsein dringendes Bild. »Ein Land, wo alles verschönert wurde, von der Kleidung bis zur Furie,« schreibt er schon ganz mit Nietzschescher Feder, »so wie in heißen Ländern in Luft und Wäldern jede Gestalt, sogar das Raubtier, mit feurigen prangenden Bildungen und Farben fliegt und läuft, indes das kalte Meer unbeholfne, zahllose und einförmige, das Land nachäffende graue Ungestalten trägt.« Aus dieser Wurzel des Lebens leitet er die Sättigung des griechischen Menschen mit Schönheit ab, und aus der engen Verbundenheit mit ihrer dem gleichen Boden entwachsenen Mythologie ihre Dichtkunst. »Mit der Mythologie war ihnen eine vergötterte Natur, eine poetische Gottes-Stadt sogleich gegeben, welche sie bloß zu bewohnen und zu bevölkern, nicht aber erst zu erbauen brauchten.« Wer denkt nicht an jene Anregungen Herders, die uns fehlende Mythologie durch Übernahme der nordischen Mythologie zu ersetzen, in seinem für die »Horen« geplanten Aufsatz, der den eigentlichen Bruch mit Schiller und im weiteren Verlauf mit Goethe einleitete! In dieser Auffassung der Mythologie als eines lebendigen Bestandteils im Leben eines Volkes oder eines künstlich nachzuahmenden Gestaltenmaterials stehen sich zwei diametral entgegengesetzte Weltanschauungen gegenüber. Nachahmung der Antike oder Erneuerung des antiken Heroismus. Wie im »Titan« die Berührung mit der Antike auf dem ehrwürdigen Boden Roms Albano zur Tat aufruft und seine Reisebegleiter zu einem leeren Kunstenthusiasmus. Genau das gleiche wiederholt sich in der »Vorschule der Ästhetik«.
    Zu entscheidenden Momenten für die innere Einstellung zum Griechentum werden für Jean Paul jene Bestandteile der griechischen Seele, die Nietzsche später die »dionysischen« nannte. Auch diese Dionysoslehre des modernen Denkers ist hier schon vorausgenommen. Die »Qual des Strebens« gehört für Jean Paul durchaus zum Griechentum. »In Satyrs und Portraits« legten die Alten diese unruhige Qual hinein. »Es gibt keine trübe Ruhe, keine stille Woche des Leidens, sondern nur die des Freuens, weil auch der kleinste Schmerz regsam und kriegerisch bleibt.« Und am Ende dieses Bildes von Hellas steht jener Dichter, der in der Tat Jean Paul am meisten anziehen mußte: Aristophanes. »Der wie alle großen Komiker sittlich verkannte Aristophanes, dieser patriotische Demosthenes im Sockus, läßt ja wie ein Moses seinen Froschregen auf den Euripides nur zur Strafe seiner schlaffen und erschlaffenden Sittlichkeit fallen – weniger bestochen als Sokrates von dessen Sittensprüchen bei vorwaltender Unsittlichkeit im Ganzen – und verschont dagegen mit dem kleinsten rauhen Anhauche nicht etwan seinen gekrönten Liebling Aeschylos, sondern den religiösen Sophokles, welcher selber dem Euripides, wie Shakespeare dem Dichter Ben Johnson, große Achtung bewiesen.« Und nun kommt jener

Weitere Kostenlose Bücher