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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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nämlich seine Lenkfedern ( pennae retrices ) im abgemessenen Verhältnis gegen seine gewaltigen Schwungfedern ( remiges ) gestanden hätten.« Gerade das Übermaß dessen, was man für gewöhnlich Genialität nennt, wird hier an dem geliebtesten Freunde als ein Mangel an wahrer Genialität, als Mangel an »Besonnenheit«, angemerkt. Aber diese Besonnenheit wird nun auch sofort abgegrenzt gegen die »Sündige Besonnenheit«, die »Ruchlose Geistesgegenwart« der »ausgeleerten Selbstlinge jetziger Zeit« oder der rhetorischen und humanistischen Welt, die »in ihren frechen, kalten Anleitungen, wie die schönsten Empfindungen darzustellen sind, besonnene Gliedermänner wie aus Gräbern zu Exempeln« hervorholt. Durch den »Instinkt des Unbewußten und die Liebe dafür« wird die wahrhaft geniale Einstellung gegen diese ruchlose Kälte abgegrenzt.
    Aber die ganze Tiefe des Genies erschließt sich erst in seiner Zweiweltigkeit, in seinem Hineinreichen in die Bezirke des Metaphysischen. Es ist klar, daß Jean Paul sein Genie hier nach seinem Bilde formt. Aber hatte er nicht die Berechtigung, sich als eine besondere Inkarnation des deutschen Genius anzusprechen? Stellte er nicht in besonderem Grade die deutsche Verwirklichung dar? Und so ersteht vor unserm Auge denn auch ein Geniebegriff mit deutschen Zügen. Diese Verbindung der Treue gegen die Natur, des Verwurzeltseins in höheren Welten, diese Verbindung erst macht Jean Pauls Genie zum Inbegriff des deutschen Wesens. Wie er in Albano das Idealbild des deutschen Jünglings zeichnete, so zeigt er jetzt das Idealbild des deutschen Genies. »Wenn es aber Menschen gibt,« schreibt er von ihm, »in welchen der Instinkt des Göttlichen deutlicher und lauter spricht als in andern; – wenn er in ihnen das Irdische anschauen lehrt (anstatt in andern das Irdische ihn); – wenn er die Ansicht des Ganzen gibt und beherrscht: so wird Harmonie und Schönheit von beiden Welten widerstrahlen und sie zu einem Ganzen machen, da es vor dem Göttlichen nur Eines und keinen Widerspruch der Teile gibt. Und das ist der Genius; und die Aussöhnung beider Welten ist das sogenannte Ideal. Nur durch Himmelskarten können Erdkarten gemacht werden; nur durch den Standpunkt von oben herab (denn der von unten hinauf schneidet ewig den Himmel mit einer breiten Erde entzwei) entsteht uns eine ganze Himmelskugel, und die Erdkugel selber wird zwar klein, aber rund und glänzend darin schwimmen.«
    Dem Instinkt also spricht er die Entscheidung über den letzten Wert des Genius zu und hebt damit das eigentlich Geniale aus den äußeren Gaben und Talenten in die himmlische Heimat. Genie ist unerklärbar und unberechenbar, es ist eine Angelegenheit des Instinktes, der Gabe. Wieder stehen wir hier an einem Drehpunkt allgemeiner Begriffe. Die Sturm- und Drangperiode hatte den Geniebegriff der Renaissance aufgenommen, verstand unter Genie jenes »Genialische«, das nach Jean Paul Herder zuviel hatte, führte außerdeutsches Gut in das Seelenleben des Volkes ein und leitete zu dem »einkräftigen« Geniebegriff der Romantik über. In der Jean Paulschen Fassung wird der alte deutsche Meistersinn wieder lebendig, der wohl in die Niederungen des Lebens eindringen kann, sie aber von dem höchsten Standpunkt aus betrachtet und in ein Lebensganzes hineinstellt. Das bloße Talent kann uns die Armut, den Kampf mit dem bürgerlichen Leben, nur zeigen, »als müßten wir die Not wirklich erleben«. »Wenn hingegen der Genius uns über die Schlachtfelder des Lebens führt: so sehen wir so frei hinüber, als wenn der Ruhm oder die Vaterlandsliebe vorausginge mit den zurückflatternden Fahnen; und neben ihm gewinnt die Dürftigkeit wie vor einem Paar Liebenden eine arkadische Gestalt.« Hier denken wir an Jean Pauls eigene Idyllendichtung, aber darüber hinaus an die großen Meister des deutschen Mittelalters. »Auf diese Weise versöhnet, ja vermählt er – wie die Liebe und die Jugend – das unbehülfliche Leben mit dem ätherischen Sinn, so wie am Ufer eines stillen Wassers der äußere und der abgespiegelte Baum aus Einer Wurzel nach zwei Himmeln zu wachsen scheinen.«
    In den folgenden Teilen werden die »griechische oder plastische Dichtkunst« und die »romantische Dichtkunst« einander entgegengestellt. Auch hier wieder wird das Griechentum Herders gegen das Griechentum des Goethe- und Schillerschen Kreises abgegrenzt. Nicht als eine überzeitliche Norm wird bei Jean Paul das Griechentum begriffen, sondern aus

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