Saemtliche Werke von Jean Paul
erste versteht sich ohnehin, wo er in der Trunkenheit des Schmerzes, im Blutsturz des Herzens und der Augen erliegt, und wo das geliebte Bild sich mit Flammen in die weiche Seele brennt; aber dann wird er die Abgeschiedne nie vergessen können. Daher muß er einen zweiten nehmen, der schon darum kälter ist, weil heftige Empfindungen kein dal segno der Wiederholung leiden, ja er muß (wenn er am allerklügsten sein will) sie nach dem ersten tragischen Abschied an einem öffentlichen Platze (z. B. bei einer Krönung), wo sie kalt scheinen muß, zu sehen suchen; ihr frostiges Gesicht überschneiet dann ihr heißes in seinem Kopfe, und mein guter Leser hat doch wieder so viel Verstand beisammen, daß er weiß, was er in den Hundposttagen lieset…
– Wahrlich, wenn Jean Paul nicht fleißig schreibt, so tuts keiner – es schlug schon ein Uhr, und er hielts für ein Viertel auf Zwölfe – meine Schwester will schon vor dem aufgeschwänzten rauchenden Hecht, der wie die Schlange der Ewigkeit an seinem Schwanze frisset, die Hände falten und sagt immerfort: »Es wird ja alles kalt« – »Das soll es auch, nach so glühenden Kapiteln,« (sag’ ich) »wenn du den Leser und den Autor meinst« – Der Posthund springt schon, indem ich noch über dem zwanzigsten Kapitel sitze, mit dem einundzwanzigsten in der Stube herum – und doch will ich verhungern, wenn ich nicht vor dem Essen noch, wie die sieben Weisen, sieben goldne Sprüche sage:
1. Wenn man beim Stiche der Biene oder des Schicksals nicht stille hält, so reißet der Stachel ab und bleibt zurück.
2. Jämmerliche Erde, die drei, vier große oder kühne Menschen verbessern und erschüttern können! Du bist ein wahres Theater: auf dem Vorgrund sind einige fechtende Spieler und einige Zelte aus Leinwand, im Hintergrund wimmelts von gemalten Soldaten und Zelten! –
3. Staaten und Diamanten werden jetzt, wenn sie Flecken haben, in kleine zerschnitten – und da
4. die Menschen in großen Staaten und die Bienen in großen Stöcken Mut und Wärme einbüßen: so heftet man jetzt an kleine Länder andre kleine Länder, wie an Bienenstöcke Koloniestöcke.
5. Der Mensch hält sein Leben für das der Menschheit, wie die Bienen das Tropfen ihres Bienenstandes, wenn schon die Sonne wieder scheint, für Regen nehmen und nicht ausfliegen;
6. aber er begeht täglich einen kleinern Irrtum: anfangs hält er für eine Ewigkeit (für diese aristotelische Zeit-Einheit des Schauspiels des Seins) seine gegenwärtige Stunde – dann seine Jugend – dann sein Leben – dann sein Jahrhundert – dann die Dauer des Erdballs – dann der Sonne ihre – dann der Himmel ihre – dann (das ist der kleinste Irrtum) die Zeit ….
7. An den Menschen sind vorn und hinten, wie an den Büchern, zwei leere weiße Buchbinderblätter – Kindheit und Greisenalter; und an den Hundposttagen auch: siehe das Ende dieses Tages und den Anfang des nächsten.
Fünfter Schaltta g
Fortsetzung des Registers der Extra-Schößlinge
K
Kälte. In unserm Zeitalter stehen Abnahme des Stoizismus und Wachstum des Egoismus hart nebeneinander; jener bedeckt seine Schätze und Keime mit Eis, dieser ist selber Eis. So nehmen im Physischen die Berge ab und die Gletscher zu.
L
Leihbibliothek für Rezensenten und Mädchen. Ich bin noch immer willens, es ins Intelligenzblatt der Literaturzeitung setzen zu lassen, daß ich den Kaufschilling, den ich für meinen Abendstern erhebe, nicht zerschlagen, noch wie Musäus zum Ankauf von Gartenhäusern zersplittern, sondern das ganze Kapital zu einer vollständigen Sammlung aller deutschen Vorreden und Titel , die von Messe zu Messe erscheinen, verwenden will. Ich kann dabei bestehen, wenn ich eine Vorrede wöchentlich für einen Pfennig Lesegeld an Rezensenten ausgebe, welche nicht gern das Buch selber lesen wollen, wenn sie es rezensieren. –
Damit mir nicht einmal der Überschuß des besagten Schlagschatzes als totes Kapital im Hause liegt: so sollen dafür – wenn ich mich nicht ändere – die schwerern deutschen Meisterwerke – z. B. Friedrich Jakobis , Klingers seine, Goethes Tasso –, desgleichen die bessern satirischen und philosophischen vom Buchbinder in einer leichtern Damenausgabe geliefert werden, die ganz aus sogenannten Vexierbänden, worinnen kein Unterziehbuch steckt, bestehen soll. Ich spiele damit, denk’ ich, den Leserinnen etwas Kernhaftes in die Hände, das so gut gebunden und ebenso betitelt ist wie die Buchhändler-Ausgabe,
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