Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
Vom Netzwerk:
lassen, ja er wollt’ es ihm jetzt selber tun und ihm zeigen, wie alles zu machen sei. Dadurch hoffte er noch dazu um das Apfelstück zugleich einen Vorhang zu ziehen. Aber er verstellte sich so erbärmlich – denn ihm glückten unschuldige Intrigen gegen Mädchen und scherzhafte Verstellungen aus Satire, und mißlangen ernsthafte –, daß sogar Flamin aufhorchte und trocken versetzte: »er habe schon ein solches Pflaster seit zwei Tagen auf: und – Matthieu hab’ es ihm geraten und selber aufgelegt.«
    Da saß er. – Sebastian hatte weiter nichts zu tun, als in einer sonderbaren Kälte, die auf dem St. Lüner Wege nur durch einige Stiche von den alten dornigen Spätlingen seines verblühten Paradieses untermischt wurde, unbegleitet zum Kammerherrn Le Baut zu gehen, zu sagen, was zu sagen war, ins Pfarrhaus zu gucken und still wieder fortzuwandern ohne eine einzige – Hoffnung.
    Liebe Fortuna! lieber geköpft als skalpiert, lieber ein Unglück als zehn Fehlschlagungen; ich meine: rädere mit deinem Rade den Menschen lieber von oben als unten hinauf! –
    Viktor wußte zwar noch kein Wort von der Wendung, womit er zwei solchen Hof-Emigranten wie den Le Bauts, die nichts Heiligers kannten als die Latrie gegen einen Fürsten, die Dulie gegen dessen Minister und die Hyperdulie gegen dessen H—, Klotildens Standerhebung verleiden sollte; aber er dachte: »Ich tue, was ich kann.«
    Klotildens Eltern nahmen ihn mit so viel Verbindlichkeit auf – d. h. mit so viel Höflichkeit des Körpers, mit so viel Puderzucker auf jeder Miene, mit so viel Violensirup auf jedem Wort – kurz, er fand den Bericht, den Matthieu von ihrer gefälligen Denkart für ihn an Flamin erstattet hatte, so gegründet, daß er keine bessere Gelegenheit hätte aussuchen können als diese, um sie von der Verpflanzung ihrer Tochter abzumahnen – hätten sie ihm nicht zu danken angefangen, daß er selber dieser Verpflanzer gewesen war. Sie hatten alles erfahren oder erraten und dankten ihm für seine Verwendung, der sie wahrscheinlich eigennützigere Absichten liehen, als die Tochter tat. Es wäre lächerlich gewesen, in Klotildens Gegenwart ihr selber Flachsenfingen zu widerraten und das auszureden, wofür man ihm dankte; indes versucht’ er doch etwas. Er sagte zum Kammerherrn: »seine Tochter verdiene mehr, einen Hof zu haben, als einen zu zieren; ja er verdiene bei der ganzen Sache höchstens – Entschuldigung, da Klotilde gewiß den Umgang ihrer Eltern dem Hofzwang vorziehe: in diesem Falle versprech’ er, den Zeiger bei dem Fürsten wieder zurückzustellen und alles ohne Nachteil zu berichtigen.« Der Vater hielt diese Äußerung für ein sonderbares Ablehnen des Dankes, die Stiefmutter für irgendeine Spitzbüberei, die Tochter für – Worte. Sie sagte ein wenig kurz: »Ich glaube, es war leicht, zwischen Ungehorsam und Abwesenheit zu wählen.« Denn so unbiegsam sie für ihre Stiefmutter war, so willig kam sie den Winken ihres Vaters nach, den sie mit allen seinen Schwächen und als die einzige ihm auf der Erde gewogne Seele zärtlich liebte. Viktor ließ es endlich, obwohl gezwungen, gut sein; aber warum ergibt sich der Mensch schwerer in die Zukunft als in die Vergangenheit? – Die Kälte der Tochter war natürlicherweise nicht kleiner (aber aufrichtiger) als die Wärme der Eltern…. und gerade die Kälte erfrischte sein glühendes Gehirn. Diese kalte gleichgültige Gestalt war wie ein Schleier über die erhabne liebende gedeckt, die immer mit ihrem schwermütigen Blicke vor ihm schwebte, und die er nicht aushielt. Ohne Bewußtsein einer Schuld, zufrieden mit seinem Gehorsam gegen Emanuels Bitte, zog er mit seinen vom Wohlstand erdrückten Gefühlen ab, kälter gegen die Kalte. – Er wäre ein schlechter Liebhaber gewesen, wenn er gewußt hätte, was er haben wollen; denn sonst hätt’ er von Klotilden, sogar im Falle ihrer Liebe gegen ihn, keine außerordentliche Wärme gegen einen Medikus begehren können, den ihr die Eltern aufzwangen (welches einem Manne noch mehr schadet als Häßlichkeit), der so unhöflich ohne ein Geburttag-Carmen aus dem Garten fortjagte, und der sie in die sieben vergoldeten Türme des Hofdienstes trotz ihrem Widerwillen, trotz allem Anschein ihres künftigen Gefängnisfiebers hineinschob. – Aber für das offne Lehn seines Herzens war eben dieser Ärger gesund….
    Wenn mein guter Leser einmal von einer zu teuren Freundin einen ewigen Abschied zu nehmen hat: so nehm’ er ihn zweimal . – Der

Weitere Kostenlose Bücher