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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Abendakademie mit seinen Büchern abhalten wolle. Neugierig geht er hinein, um festzustellen, welcher Betrüger sich seines Namens bediene. Als Herr v. Nieß gerade im Begriff ist, sich als den Dichter Theudobach zu erkennen zu geben, tritt der Hauptmann Theudobach hervor und macht alle Rechte dieses Namens und der unter ihm veröffentlichten Bücher für seine Person geltend. Der Dichter verteidigt sich, aber die Mehrheit ist gegen ihn und nimmt für den blonden Recken Partei. Insbesondere ruft Theoda in die Versammlung das Bekenntnis, daß sie nur in dem Hauptmann den angebeteten göttlichen Dichter zu sehen vermöge und nicht in diesem Herrn v. Nieß, der von geborgtem Ruhm lebe und offenbar ein Betrüger sei. Nieß muß unter dem Gelächter der Anwesenden aus der Versammlung weichen. Theoda aber sitzt abends neben dem Recken, ihn noch immer für den Dichter und die Erfüllung ihrer Träume haltend. Was er auch über seine Werke sagen möge, sie nimmt es für Metapher und bescheidene Abwehr. Allgemein gilt der Hauptmann für den berühmten Dichter.
    Der nächste Tag klärt freilich alles auf, aber, wie es so geht, hat diese Aufklärung nicht den gewünschten Erfolg. Der Dichter Theudobach zieht nicht jubelnd in das Herz Theodas ein, sondern der Hauptmann Theudobach nistet sich in diesem Herzen nur desto fester ein. Der Dichter muß vor dem Recken den Rückzug antreten. Inzwischen kommt auch Dr. Katzenberger an das Ziel seiner Wünsche. Unter Zuhilfenahme von Wein schläfert er das Mißtrauen des hinterlistigen Rezensenten ein. Dieser nimmt ihn sogar in seine Wohnung mit, um ihm eine besonders interessante Mißgeburt zu zeigen. Hier aber tritt Katzenberger auf einmal mit seinen wahren Absichten hervor, und es fehlt nicht viel, daß er den Badearzt selbst in eine abscheuliche Mißgeburt verwandelt. Fürchterlich nimmt er Rache an dem hinterhältigen Ehrabschneider, und nur die Überlassung der Mißgeburt läßt ihn von dem Äußersten absehen. Nachdem Katzenberger sich auf diese Weise gerächt hat, fährt er noch in der Nacht nach der Universitätsstadt zurück. Am Tage folgen Theoda und der Hauptmann, der sich der abreisenden Dame unter einem Vorwand anschließt. Aller Zauber der Postkutschenromantik ist über diese Fahrt ausgegossen, die denn auch aus Theoda und dem Hauptmann ein glückliches Paar macht. Noch erscheint es ausgeschlossen, daß der Professor seine Einwilligung zu der Verbindung geben wird. Theoda kennt die ganze Rücksichtslosigkeit ihres Vaters, der an ihr hängt und sie nicht von sich lassen wird. Schließlich gibt Katzenbergers Sucht nach wissenschaftlichem Material den Ausschlag. Auf Theudobachs Gut befindet sich eine alte Höhle mit Knochen. Für die Erlaubnis, diese Knochen zu untersuchen, gibt Katzenberger die Tochter hin. Der Schluß vereint eine glückliche Familie. –
    Der Schwerpunkt der Dichtung liegt aber nicht in dieser Liebesgeschichte, sondern in der rigorosen Abwendung von jeder Sentimentalität. Gewiß sind die Liebenden mit allen Vorzügen redlicher und prächtiger Menschen ausgestattet, aber nicht mehr. Keine Welten brausen in ihnen ineinander. Sie werden sich heiraten und Kinder zeugen und sich ihres Findens wie eines schönen Traums erinnern. Aber gerade weil ihrer Liebe jeder romantische Überschwang fehlt, werden sie glücklich sein. Jean Pauls gewohnte Welt ist hier vollkommen umgekehrt. Man könnte fast diese Dichtung eine Travestie auf seine Romanhelden nennen. Jean Paul nimmt sich hier einmal ganz ernst. Schon im »Titan« hatte er als Bildungsideal nicht den empfindenden Dichter, sondern den im Wohl des Gemeinwesens aufgehenden praktischen Menschen aufgestellt. In der »Levana« hatte er geradezu die erziehende Kraft der Mathematik gepriesen. Der Hauptmann aber ist Mathematiker. Ebenso wird Theoda von einer sentimentalen Backfischschwärmerei für das Idol eines Dichters zu dem gemeineren, aber gesünderen Gefühl der Wirklichkeit hingeführt. Seid Alltagsmenschen! scheint die Forderung Jean Pauls hier formuliert. Laßt euch durch eine verblasene Romantik nicht von euerm euch vorgezeichneten Lebensweg abbringen. Verachtet diese zweifelhafte Größe eines Dichters, der in Wahrheit ja eigentlich kein ganzer Mensch ist. Und gewiß schallt diese Predigt aus dem Werk heraus. Aber doch sind gegen diesen Alltag deutlich erkennbare Grenzen gesetzt. Herr v. Nieß ist schließlich doch nur ein Dichter niederen Grades, eine Eintagsfliege des herrschenden Modegeschmacks, und

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