Saemtliche Werke von Jean Paul
führt sich als Teilhaber der Kutsche bei ihr ein. Herr v. Nieß oder der Dichter Theudobach wird nun mit einer Menge unsympathischer Eigenschaften behaftet gezeigt. Er ist maßlos eitel und unterscheidet überdies klar und bedacht zwischen den Stunden des göttlichen Schaffens und dem profanen Leben. Aber dennoch ist er keineswegs die übliche Karikatur eines minderen Dichters, sondern zeigt in nur wenig karikierter Weise die fast notwendigen Schattenseiten des Dichters, der nicht nur leben und essen, sondern auch gut essen und trinken will. Und seine Eitelkeit ist auch mehr Folgeerscheinung eines auf den Erfolg gestellten Berufs und kaum größer, als sie fast bei jedem in der Öffentlichkeit stehenden Künstler anzutreffen sein wird. Das gerade ist das Gelungene an dieser Gestalt, daß sie nicht über die Grenzen der Wirklichkeit hinausgeht. In seinem Pseudonym Theudobach ist zwar die skrupellose Ausnützung der altdeutschen und deutschtümelnden Konjunktur gekennzeichnet, die bald nach der Niederlage bei Jena als notwendiger Rückschlag eintrat, aber doch auch wieder durchaus verständlich gemacht durch des Dichters Hinneigung zu blonden und kriegerischen Helden. Wen Jean Paul als Vorbild seines Dichters im Auge hatte, ist nicht recht zu bestimmen. Vielleicht wollte er einen Dichter von der Art des Grafen Löben darstellen, den man ihm als Verkörperung seiner dichterischen Jünglingsgestalten genannt hatte. Gewiß ist in die Gestalt Theudobachs auch ein wenig von Fouqué, dem deutschtümelnden Verfasser von »Sigurd, der Schlangentöter« und des großen Völkerwanderungsromans »Der Zauberring« eingeflossen. Aus diesen Bestandteilen mischte Jean Paul die Gestalt eines vielgespielten Dramatikers, dem er aber auch nicht undeutlich eigene Wesenszüge gab.
Natürlich hat sich Theoda unter ihrem Schwarm einen Dichter von der Art seiner Helden vorgestellt: groß und hünenhaft und voll heldischen Muts. Bei dem Reisebegleiter, der sich als Freund des Dichters bei dem Mädchen eingeführt hat, muß aber Theoda Anzeichen einer gewissen Ängstlichkeit feststellen, die zwar nicht über die Ängstlichkeit eines normalen Menschen hinausgeht, aber doch weit hinter den Mädchenträumen von ihrem Heldendichter zurückbleibt. »Ihr Freund ist gewiß ganz anders als Sie!« sagt sie zu Herrn v. Nieß. Seine Versicherungen, daß er dem Dichter auffallend gliche, helfen nichts. Wir ahnen, daß Theudobachs Erwartungen sich nicht erfüllen werden. Er leidet unter dem naheliegenden und gewöhnlichen Schicksal bekannter Dichter, daß man ihre Gestalten mit seiner Person verwechselt. Auch hier ist Jean Paul wiederum bei der Wirklichkeit geblieben, die er mit seinen Zügen ausstattet.
Unter allerhand Abenteuern in Wirtshäusern, kleinen Städten, sogar auf einem Kirchhof, entwickeln sich die verschiedenen Charaktere in Szenen von übersprudelndem Humor. Katzenberger wird immer unflätiger und geiziger, aber heldenmütig, wo es die Erwerbung einer Mißgeburt gilt. Endlich kommt man in Maulbronn an. Der Badearzt Strykius, den zu verprügeln Dr. Katzenberger die ganze Reise gemacht hat, empfängt den berühmten Gelehrten in kriechender Demut. Katzenberger ist im Zweifel, ob diese unterwürfige Natur wirklich die gemeinen Angriffe unter dem Schutz der Anonymität gegen ihn unternommen habe. Aber seine Beweise sind zu sicher. Mit Behagen umkreist er das Opfer, das ihm nicht entgehen kann. Strykius wittert bald, was ihm droht. Ein herrliches Spiel zwischen den beiden beginnt, unterbrochen durch den Herzensroman Theodas, die auf ihren Dichter wartet, und das Werben des Herrn v. Nieß um das schöne Mädchen. Unter seinem wirklichen Namen veranstaltet Nieß einen Vorleseabend von Theudobachs Dichtungen. Am Schlusse der Vorlesung, wenn die Dichtungen alle Anwesenden in Bann geschlagen haben, will er sich als den Verfasser zu erkennen geben, seine ganze Liebeshoffnung auf diesen Augenblick setzend. Aber etwas Unerwartetes geschieht. Schon während der Vorlesung ist eine hochgewachsene Gestalt in den Saal getreten, die aller Blicke auf sich lenkt. Besonders Theoda ist nicht einen Augenblick darüber im Zweifel, daß der Ankömmling nur der göttliche Dichter selber sein könne. Und in der Tat heißt er auch Theudobach, ist aber nicht Dichter, sondern Offizier, und als solcher mit einigen Publikationen über Fortifikationswesen aufgetreten. Auf der Durchreise durch den Badeort las er zu seinem Erstaunen, daß ein Herr v. Nieß eine
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