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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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entlang schleppt, so denkt Katzenberger auch nicht einmal entfernt daran, diesen guten Freund in seinem bequemen Wagen aufzunehmen. Er empfindet nicht die mindeste Scham über sein Verhalten, im Gegenteil, es amüsiert ihn. Mit welch herrlicher Rücksichtslosigkeit beträgt er sich, als der Wagen umgeschlagen ist! Mit welcher edlen Unverfrorenheit schlägt er bei Tisch die greulichsten Gespräche an, nicht einmal weil es ihm Spaß macht, sondern nur, um den Mitessern den Appetit zu nehmen. Rücksichtslos steckt er sich die jungen Kätzlein in die Tasche, um sie für seine Versuche an lebenden Tieren zu verwenden. Er wird sie gewiß nicht unnötig quälen, aber soweit es irgend nötig ist, wird er es ohne jeden Skrupel tun. Er ist ganz aus einem Guß. Immer wieder überrascht er uns durch die Ungeschminktheit seines Charakters. Er benimmt sich dem Fürsten gegenüber, der ihn im Bad gnädig in ein Gespräch zieht, so unflätig, als es ihm nur erlaubt ist, wühlt mit Wollust in ekelhaften Vorstellungen, die nur eine schöpferische Phantasie in diesen Farben ausmalen kann.
    Darin liegt der unbeschreibliche Zauber seines Wesens. Sobald er nur den Mund aufmacht, wissen wir, daß wir etwas Ungeheuerliches an Unflat zu erwarten haben, aber was dann herauskommt, ist noch viel ungeheuerlicher, als wir es uns denken konnten. Weil wir eben nicht Virtuosen wie er sind. Ein ganzes Leben war nötig, um diese unsterbliche Gestalt auszumalen. Wo ihr Urbild zu suchen ist, wissen wir: bei dem Jugendfreund Hermann, mit dem Jean Paul ja in Zynismus wetteiferte. Wir entsinnen uns einiger Briefstellen, die schon wie aus dem »Dr. Katzenberger« entnommen erscheinen. Über Ottomar bis zu Leibgeber-Schoppe hatte Jean Paul die Gestalt seines Jugendfreundes nach der einen Seite hin ausgebaut. Hier trieb er den medizinischen Zynismus Hermanns bis zur äußersten Grenze.
    Aber über diese Virtuosität des Zynischen hinaus hat Katzenberger doch auch noch im Haushalt der Kultur eine besondere Sendung. Er ist eine Naturkraft, und wie eine solche wirkt er belebend auf seine Mitmenschen ein. Wie der Städter immer wieder zu den Bergen oder zum Meer pilgern muß, um sein Verhältnis zur ewigen Mutter nicht ganz zu verlieren, so müssen solche ungeschminkte Kraftnaturen sein, um unser immer absterbendes Empfinden neu zu durchbluten. Sie sind das Stahlbad, dessen die Menschheit immer wieder bedarf, um sich nicht in Verschwommenheit und Unnatur aufzulösen. Sicher beabsichtigt Katzenberger nicht mit seinen Unflätigkeiten, die menschliche Gemeinschaft in der Richtung auf das Natürliche hin zu entwickeln. Er beabsichtigt überhaupt nichts, aber er tut es. Seine Tischnachbarinnen beben erschrocken auf, wenn er vom Nähren der Kinder spricht, und gewiß ist seine Art, dieses Thema zu behandeln, nicht gerade delikat. Aber daß man heute bei Tisch ruhig ein solches Thema anschneiden kann, ohne daß alle Menschen erschrocken aufspringen, ist doch wieder das Verdienst solcher Katzenberger-Naturen. Ohne sie hätte die Zimperlichkeit der Menschen einen beängstigenden Grad erreicht. Die Zivilisation neigt dazu, sich immer weiter von Natur und Natürlichkeit zu entfernen. In Katzenberger ruht ein Reservoir von natürlicher Kraft. Er treibt immer von neuem die natürlichen Dinge in das menschliche Dasein hinein. Auch diese seine Notwendigkeit im Plan des Lebens fühlen wir dunkel, wenn wir uns an der Ungebrochenheit seiner Natur erfreuen. Katzenberger ist eine der großen Gestalten der Weltliteratur, wie der Ritter Falstaff oder der Richter Walther. Was in jedem Menschen dunkel schläft, tragen sie in ungeheurer Potenz in sich: Durst, Lüge oder Unflat, und sorgen dafür, daß die Reservoire der natürlichen Kräfte sich nicht erschöpfen. Katzenberger ist vielleicht Jean Pauls genialste Gestalt. In ihm erstieg sein reiner Humor seinen Gipfelpunkt.
    Die Technik der Dichtung ist die gleiche wie in »Schmelzles Reise nach Flätz« und in der »Reise des Rektors Fälbel« aus der ersten Schaffensperiode. An französische Charakterstudien anknüpfend, hat Jean Paul diese intime Porträtkunst zur großen dichterischen Form erweitert. Das Große an dieser Art, in ein Charakterbild eine ganze Welt zusammenzudrängen, ist, daß es vollkommen im Bereich des reinen Humors bleibt. Die andern Gestalten von »Dr. Katzenbergers Badereise« erhalten von der Hauptfigur erst ihr Leben und ihren Sinn. Ein reiner künstlerischer Monismus liegt in dieser Form. Fast alle große

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