Saemtliche Werke von Jean Paul
fortgewiesen, eine neue Person auftauchen, die seinen Wahnsinn auf die Spitze treibt. Ein fortgejagter Oberhofmarschall sollte den Helden mit seinen Verbindungen und Kenntnissen des wirklichen Hoflebens bei einem richtigen Hof einführen. Worble sollte er anfangs als Libertin, den Hofprediger als Katholik, Renovanz als Kunstkenner gewinnen, um sie alle zu stürzen. »Den Jean Paul aber«, heißt es in dem Entwurf, »stach er dadurch aus, weil dieser zu revolutionär, nie demütig genug war.« Schließlich sollte er das Urbild des Wachsbildes, die Prinzessin Amanda, finden, nachdem durch Libette ein Versuch, ihm eine falsche Amanda unterzuschieben, mißglückt ist. Hinter diesem Oberhofmarschall aber sollten noch andere Mächte stehen, nämlich die katholische Kirche, die sich die Beute eines so reichen Mannes nicht entgehen lassen will. Die Heilung des Apothekers von seinem Wahn soll schließlich so erfolgen, daß er entweder selbst unter dem Einfluß der gefundenen Amanda auf die Herstellung von Diamanten verzichtet oder seine Fähigkeit, die vielleicht mit seiner Elektrizität zusammenhängt, durch eine Erkrankung verliert. Man sieht, daß kaum die Hälfte des vorliegenden Stoffes unter Dach gebracht war, als Jean Paul mit der Arbeit am Roman aufhörte.
Der »Komet« ist seiner ganzen Anlage nach nicht von vornherein ein Torso. Es waren äußere Gründe, die die Fortsetzung verhinderten. So können wir das uns überkommene Fragment nicht als ein Ganzes ansprechen und beurteilen, sondern müssen uns daran halten, daß wir gerade erst den Vorhof dieser eigentümlichen Schöpfung durchquert haben. Wahrscheinlich sollte das Werk in steiler Kurve aufwärts steigen. Es beginnt im ersten Buch der Kindheitsgeschichte mit dem häuslichen Leben des Apothekers, entrollt im zweiten das Leben der kleinen Stadt Rom, führt uns im dritten Band bis vor den Eingang des Lukasstädter Palastes, hier bereits in dem Ledermann die Grenzen mystischen Wahns erreichend. Von hier aus sollte wohl die ganze Zeit vor unserm Blick aufgerollt werden. Wir sollten einen Einblick in das Getriebe der Höfe, aber auch des Katholizismus gewinnen, natürlich alles in phantastische Formen gegossen. Zu einem umfassenden Zeitepos sollte der »Komet« sich erweitern. Mannigfache Anzeichen dafür sind gegeben. Die Arbeit an dem Roman fiel gerade in die Zeit der Karlsbader Beschlüsse, der Mainzer Untersuchungskommission und aller jener Maßregeln, durch die die Reaktion den Geist der Befreiungskriege niederzuwerfen suchte. Schon in der Vorrede zum ersten Band wurde der Knebelung durch die Zensur auf Grund der Karlsbader Beschlüsse gedacht. Deutlicher drückte sich der Dichter in der Vorrede zum zweiten Band aus. Kurz zuvor war in Berlin E. T. A. Hoffmann durch seinen »Meister Floh« mit diesen reaktionären Mächten in Konflikt geraten, da er das Unwesen der Demagogenriecherei geißelte. Gegen die Demagogenriecherei wandte sich Jean Paul nun auch in seiner Vorrede, indem er die angebliche Denunziation eines Traumgeberordens darin ausführte, der den Leuten durch willkürlich eingegebene Träume nächtlich die gefährlichsten politischen Freiheitsideen eingibt. Wenn wir in Hoffmanns »Knarrpanti« den Berliner Ministerialdirektor Kamptz vor uns haben, so lebte auch wohl zu Jean Pauls »Polizeidirektor Saalpeter«, der sich in der Vorrede über fünf aufgegriffene Traumstudenten verbreitet, das Vorbild in Berlin. Um nicht einen Augenblick länger als nötig mit seiner Meinung über das reaktionäre Treiben hinter dem Zaune zu halten, veröffentlichte der Dichter noch vor Erscheinen des zweiten Bandes diese Vorrede in Cottas »Morgenblatt«. Sie gibt uns einen ungefähren Anhalt dafür, in welcher Weise das Leben der Zeit in den ungeschriebenen Bänden des »Komet« dargestellt werden sollte. Jean Paul, der alte Freiheitskämpfer, hätte auch in dem jetzt entbrannten Streite um die innere Freiheit des Volkes nicht gefehlt. Von hier aus erst fällt auch Licht auf die Rolle, die der Katholizismus in dem Roman spielen sollte. Es war also im großen der Geist der Heiligen Allianz, der hier vor Augen geführt werden sollte. Ein unersetzlicher Verlust für die Entwicklung, daß der einzige Dichter, der, noch in den Freiheitsideen des 18. Jahrhunderts wurzelnd, fähig gewesen wäre, der Zeit den Spiegel der Menschheitsidee vorzuhalten, dazu nicht mehr die Kraft hatte. Wir sehen aber deutlich, welches Werk Jean Paul bei seinem »Komet« im Auge hatte: die
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