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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Nachricht des Fürsten auf ihn warte. In dem Augenblick aber betritt noch eine neue Person den Saal: ein junger Tiroler, der den Lukasstädter Fürsten mit Narrenfreiheit anredet. Wir wissen, daß es Libette, die Schwester des Apothekers, ist, die als Hofnarr ihn begleiten und in der Gestalt eines Tirolers erst später zu dem Zuge stoßen soll, damit man sie nicht erkenne. Der Hof verläßt die Ausstellung, während Libette den Bruder von gefährlichen Taten abhält. Hochbefriedigt kehrt Nikolaus in das Gasthaus zurück. Hier aber erwartet alle eine neue Überraschung. Der Ledermann hat vor dem »Römischen Hof« Aufstellung genommen und dringt mit dem Gefolge des Apothekers in den Gasthof ein. Selbst die berittene Schutzwache vermag ihm nicht zu wehren. Übrigens stellt sich heraus, daß Libette sich mit dem Wahnsinnigen bereits bekannt gemacht hat in der Hoffnung, durch ihn den Wahnsinn ihres Bruders vertreiben zu können. Im Zimmer Marggrafs ist nun die ganze Gesellschaft versammelt.
    Libettens Scherze ruhig anhörend, geht Kain im Zimmer auf und ab. Endlich beginnt er seine große Rede. Schon vorher hatte er in Nikopolis dem Hofprediger seinen Satanismus auseinandergesetzt. Danach sehne er sich, in die Hölle zu kommen, weil dort die ihm verwandten Seelen, die Tierseelen, wohnen. Die Tierwelt sei die höhere und werde durch junge Teufelchen bewohnt. Ihr eignen die größeren und höheren Kenntnisse zu, die Instinkte, der größere Zorn, die größere Unbezähmbarkeit. Der Mensch aber sei nichts als ein schwächlicher, ausgearteter, unvollendeter Affe. An diese Gedankengänge knüpft der Ledermensch jetzt an, die Tierheit erhöhend und alles Menschliche herunterziehend. Von dem erbärmlichen Sterben der Menschen spricht er. »Rechnet einmal eure Nächte in Einem Jahr zusammen und seht in der 365sten nach, was euch von den langen Traumaffären auf dem Kopfkissen, von den Schlachten, den Lustbarkeiten, den Menschengesellschaften und Gesprächen und den langen, bangen Geschichten zurückgeblieben? Kein Federchen und kein Lüftchen; – und nun rechnet noch euere 365 Tage dazu: so habt ihr ebensoviel, und der Teufel lacht und herrscht in euern Nächten und in euern Tagen; aber ihr wißt es nicht.« »Was seid ihr denn für Wesen und für Leute? Euere Mutter gebiert euere Religion und macht euch entweder zu Juden oder zu Christen oder zu Türken oder zu Heiden.« Mit phantastischen und doch in den Kern treffenden Gründen baut der Wahnsinnige seine Teufelswelt vor den Verdutzten auf. Inzwischen hat sich Worble hinter ihn geschlichen und versucht, ihn durch magnetische Striche einzuschläfern. Es gelingt. Dem Kain fallen die Augen zu, er spürt eine unwiderstehliche Müdigkeit in seinen Gliedern. »Es ist närrisch auf der Erde« sagt er, »soeben entschlaf’ ich.« Mit letzter Kraft wendet sich Kain zum Kamin und klettert dort in die Höhe, wo er müde verweilt. Zum Staunen aller dringt plötzlich seine Stimme sanft und milde heraus, eine fremde, liebliche, herzliche Stimme. Sie bittet um Vergebung. daß sie den Anblick der guten Menschen nicht ertragen könne. dankt Libette für ihre Güte, mit der sie ihm den schwarzen Äther blau und licht gemacht habe. Er klagt sich seiner tausend Sünden in der Einsamkeit an. In seiner Studierstube wäre er alles Böse durch Denken gewesen: Mordbrenner, Giftmischer, Gottleugner, vertretender Herrscher über alle Länder und alle Geister, innerer Schauspieler von Satansrollen. Für diese Sünden werde er jetzt bestraft. »Ach, ihr Glücklichen um mich her, ihr könnt den Unendlichen lieben, aber ich muß ihn lästern, wenn ich erwache; und um drei Uhr, mit dem ersten Anschlage des Kindtaufglöckchens, werd’ ich wieder wach und teuflisch; dann hütet euch vor dem Unglücklichen… O Gott der Liebe, lasse dich fortlieben von mir, wenn ich erwache.« Da schlägt es drei Uhr, das Kindtaufglöckchen ertönt, und der Unglückliche stürzt erwachend herab. Gesicht und Hände sind geschwärzt, die Haarbüschel sträuben sich zornig empor, auf der geschwollenen Stirnhaut ringelt sich die rote Schlange wie zum Sprunge, und er ruft freudig: »Vater Beelzebub, ich bin wieder bei dir; warum hattest du mich verlassen?« Alle treten weit von ihm hinweg, »nicht aus Furcht, sondern vor Entsetzen.«
    Mit diesen Worten schließt der Roman. Über die geplante Fortsetzung sind wir aus einer Aufzeichnung des Dichters unterrichtet. Danach sollte jetzt, nachdem der Apotheker von dem Lukasstädter Hof

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