Saemtliche Werke von Jean Paul
sanfter Stimme nach: »Sprecht nicht so, nur ihr seid schön.« Dann verschlingt ihn der Nebel.
Diese seltsame Erscheinung ist in der ganzen Stadt bekannt. Man nennt sie den ewigen Juden. In Wahrheit handelt es sich um einen Wahnsinnigen, der in dem Teufel den Herrn der Welt sieht und seine Macht verkündet. Niemand hat den Ledermann essen und trinken sehen. Nachts dringt er durch Dach und Schornstein in die Häuser ein und nährt sich aus fremden Küchen. Besonders hat er es auf Fürsten abgesehen. Heilig sind ihm nur die Frauen, denen er nichts tut und zu denen er mit liebreicher Stimme spricht. Nikolaus erfährt dieses durch den Wirt des »Römischen Hauses«, Pabst genannt.
Lukasstadt ist, wie schon der Name sagt, eine Malerstadt. Sämtliche Schulen sind hier vertreten. Da aber der Künstler die Menge sind und der Käufer nur wenig, herrscht in dem Künstlervölkchen Not und Neid. Nikolaus läßt sich von allen Lukasstädter Malern malen, und zwar sitzt er, um keine Zeit zu verlieren, immer der ganzen Schule, sei es der italienischen oder der niederländischen. Auf der bevorstehenden Kunstausstellung wird sein Porträt deshalb von allen Wänden strahlen. Um so eher hofft er, auf diese Weise endlich der angebeteten Prinzessin Amanda aufzufallen und sie zu treffen. Inzwischen umstreicht der unheimliche Ledermann das Gasthaus. Nikolaus muß zu seinem Schutz eine berittene Schildwache vor den Eingang stellen und den Kamin durch den Waldhorn-Nachtwächter bewachen lassen, kann aber nicht verhindern, daß der Unheimliche auf den Dächern von Nikopolis vor dem Stadttor umherschleicht und sogar durch die Schornsteine in die Häuser dringt. Einmal trifft er hier mit dem Hofprediger Süptitz zusammen, dem er sich als der wahre Kain und als Satanist zu erkennen gibt.
Inzwischen hat Nikolaus an einem Fenster des Schlosses eine Prinzessin gesehen, in der er mit Bestimmtheit eine der Begleiterinnen seiner Amanda vermutet. Sein Gefolge kann ihn nur schwer abhalten, geradeswegs in den Palast zu gehen, da die Prinzessin ihn noch erkennen müsse, wie er meint. Schließlich läßt er sich überreden, seine Bekanntschaft mit dem Hof bis zur Eröffnung der nahe bevorstehenden Kunstausstellung zu verschieben. Worble trifft alle möglichen Vorkehrungen, um ein Zusammentreffen mit dem Lukasstädter Hof zu verhindern. Dem Apotheker wird vorgespiegelt, daß man ihn benachrichtigen werde, sobald der Hof den Saal betreten habe. In Wirklichkeit aber soll er erst geholt werden, wenn der Hof die Ausstellung bereits wieder verlassen habe. Aber der Zufall läßt dennoch den Apotheker mit dem Hof zusammentreffen. Nikolaus erfährt durch den Wirt, daß der Hof die Ausstellung betreten habe, und nun hilft kein Mittel, ihn zurückzuhalten. Selbst dem tapferen Worble ist nicht ganz geheuer, wenn er an diese jetzt unausweichliche Begegnung denkt.
Als der Apotheker mit seinen Begleitern den Saal betritt, bietet sich ein höchst seltsamer Anblick. Auch der Bruder des Malers Renovanz, der blasse, schöne, still träumende Raphael, hat sich in den Saal eingeschlichen und sucht unter den Bildern nach Kopien seiner phantastischen Gedankengemälde. Vor einem herrlichen Veronese bleibt er halten, schüttelt heftig mit dem Kopf und deutet mit dem Finger auf die Augen der heiligen Katharina. »O meine Amanda, wie bist du kopiert, entfärbt, entstellt!« ruft der Wahnsinnige unaufhörlich. »Deine Augen ausgelöscht, deine Lippen verblutet!« Um den schönen Träumer aber stehen die Kunstkenner und einige Prinzessinnen des Hofes und lauschen seinen Worten. Kaum aber hat der Apotheker den Saal betreten, so fliegt Raphael auf ihn zu und redet ihn an, so daß jetzt aller Augen auf den Grafen Hazenkoppen gerichtet sind, der schon lange das Gerede der Lukasstädter beschäftigt hat. »O Marggraf, Marggraf!« ruft Raphael ihn an, »blicket dort die beraubte Amanda an! Steht sie nicht lieblicher in dem Bilde von Wachs vor Euch?« Der ganze Saal gerät in Erregung. Raphael führt den Grafen vor das Bild und fragt ihn noch einmal: »Ist dies Eurer himmlischen Amanda ähnlich, Marggraf?« Die Prinzessin, die mit einem Hofherrn vor dem Bilde steht, ist betroffen. Der Graf glaubt in ihr eine der damaligen Begleiterinnen seiner Dulzinea zu erkennen und redet sie an. Die Prinzessin weiß nicht, wie sie sich verhalten soll. Beide stammeln mißverständliche und mißverstandene Redensarten, bis Worble hinzutritt und dem Grafen ins Ohr flüstert, daß im Gasthaus eine
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