Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
Vom Netzwerk:
Agnola, die ihres Temperaments ungeachtet spröde war – ein eigner zurückgestimmter Ton herrschte daher in ihrer Gegenwart bei Schleunes –, jeder Schritt genug, den er nicht zurück tat.
    Aber gegen die lebhafte Joachime tat er einen halben vorwärts. Nicht sowohl sie als das Haus schien ihm kokett zu sein; und die Töchter darin fand er – dies macht das Haus – den alten Litonen oder Leuten der Sachsen ähnlich, die S frei waren und T leibeigen, und die also ein Drittel ihres Guts verschulden konnten. Jede hatte noch ein Drittel, ein Neuntel, ein Kugelsegment von ihrem Herzen übrig zur freien Verfügung. Überhaupt wer noch kein Kabeljau- oder Stockfischangeln gesehen: der kann es hier lernen aus Metaphern – die drei Töchter halten lange Angelruten übers Wasser (Vater und Mutter plätschern die Stockfische her) und haben an die Angelhaken gespießet Staatsuniformen oder ihre eigne Gesichter – Herzen – ganze Männer (als anködernde Nebenbuhler) – Herzen, die schon einmal aus dem Magen eines andern gefangnen Kabeljaus herausgenommen worden –: ich sage, daraus kann man ungefähr ersehen, womit man die andern Kabeljaus in der See fängt, völlig wie die Stockfische zu Lande, nämlich auch (jetzt lese man wieder zurück) mit roten Tuchlappen – mit Glasperlen – mit Vogelherzen – mit eingesalzenen Heringen und blutenden Fischen – mit kleinen Kabeljaus selber – mit Fischen, die man halb verdauet aus gefangnen Stockfischen gezogen. – –
    Viktor dachte: »Meinetwegen sei Joachime nur lebhaft oder kokett, ich laufe leicht über Mardereisen hinüber, die ich ja mir vor der Nase stellen sehe.« Laufe nur, Viktor! das sichtbare Eisen soll dich eben in das bedeckte treiben. Man kann an derselben Person die Koketterie gegen jeden bemerken, und doch ihre gegen sich übersehen, wie die Schöne dem Schmeichler glaubt, den sie für den ausgemachten Schmeichler aller andern hält. – Er bemerkte, daß Joachime das neue Deckenstück diesen Abend öfters angeschauet hatte; und wußte nicht recht, warum es ihr gefalle: endlich sah er, daß sie nur sich gefalle, und daß diese Erhebung ihren Augen schöner lasse als das Niederblicken. Er wollt’ es übermütig untersuchen und sagte zu ihr: »Es ist schade, daß es nicht der Maler des Vatikans gemacht hat, damit Sie es öfter ansähen.« – »O,« sagte sie leichtsinnig, »ich würde niemals mit andern hinaufsehen – ich liebe das Bewundern nicht.« Später sagte sie: »Die Männer verstellen sich, wenn sie wollen, besser als wir; aber ich sage ihnen ebensowenig Wahrheiten, als ich von ihnen höre.« Sie gestand geradezu, Koketterie sei das beste Mittel gegen Liebe; und mit der Bemerkung, »seine Freimütigkeit gefall’ ihr, aber die ihrige müss’ ihm auch gefallen«, endigte sie den Besuch und den Posttag.

22. Hundpostta g
     
    Stückgießerei der Liebe, z. B. gedruckte Handschuhe, Zank, Zwergflaschen und Schnittwunden – ein Titel aus den Digesten der Liebe – Marie – Courtag – Giulias Sterbebrief
    Der Leser wird sich ärgern über diesen Hundposttag; ich meines Orts habe mich schon geärgert. Der Held verstrickt sich zusehends in das Zuggarn zwei weiblicher Schleppen und sogar in die Bande der fürstlichen Freundschaft…. es braucht nur noch, daß gar Klotilde zum Wirrwarr stößet – – Und so etwas muß ein Berghauptmann, ein Eiländer den Leuten auf dem festen Lande hinterbringen!
    Chronologisch solls noch dazu gemacht werden: ich will diesen Hundposttag, der vom November bis zum Dezember langt, in Wochen zerlegen. Dadurch wird die Ordnung größer. Denn ich kenne die Deutschen: sie wollen wie die Metaphysiker alles von vorn an wissen, recht genau, in Großoktav, ohne übertriebene Kürze und mit einigen citatis. Sie versehen ein Epigramm mit einer Vorrede und ein Liebemadrigal mit einem Sachregister – sie bestimmen den Zephyr nach einer Windrose – und das Herz eines Mädchens nach dem Kegelschnitt – sie bezeichnen alles mit Fraktur wie Kaufleute und beweisen alles wie Juristen – ihre Gehirnhäute sind lebendige Rechenhäute, ihre Beine geheime Meßstangen und Schrittzähler – sie zerschneiden den Schleier der neun Musen und setzen auf die Herzen dieser Mädchen Tasterzirkel und in ihre Köpfe Visierstäbe – die arme Klio (die Muse der Geschichte) sieht gar aus wie der Konsistorialrat Büsching, der langsam und krumm unter einer Landfracht von Meßketten, von Terzienuhren und von Harrisonschen Längenuhren und

Weitere Kostenlose Bücher