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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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wolle nicht angebetet sein wie ein katholisches. Sie nahm ihn am meisten durch die ihrem Geschlecht eigne Gabe ein, zarte Wendungen zu verstehen – die Weiber erraten so leicht, weil sie sich immer nur erraten lassen, und ergänzen und verbergen jede Hälfte mit gleichem Glück –; aber zu ihren Reizen rechn’ ich auch den Zwang vor der Fürstin und den vor den Zuhörern mit den – Augen. Übrigens war jetzo sein von Klotilden weggeworfenes Herz in der Lage der Kinder, die gewettet haben, Schläge in ihre Hand ohne Tränen aufzunehmen, und welche noch fortlächeln, wenn diese schon fließen.
    Woche des 23. Post-Trinitatis oder 46ste des Jahrs 179*.
    Jetzt ist er auch vormittags dort. Es ist bemerkenswert, daß er ihr am Martinitag die gepuderte Stirn mit dem Pudermesser rasierte, und daß er um einige Toiletten-Hofämter bei ihr anhielt: »Ich kann Ihr Schminkdosenträger werden, wie der große Mogul Tabakpfeifen- und Betelträger hat – oder auch Ihr Cravatier ordinaire – oder Ihr Sommier (d. h. Gebetpolsterträger) – ich würde, wenn Sie nicht auf den Polster knieten, es selber tun vor Ihnen. – – Ich kannte in Hannover einen schönen Engländer, der sich das linke Knie füttern und polstern ließ, weil er nicht wußte, wen er heute anzubeten bekomme und wie lange.«
    Es ist ebenso wichtig, daß er sie am Jonastag ein Paar feine Handschuhe, worauf ein sehr einfältiges Gesicht getuschet war, anzunehmen zwang – »es wäre sein eignes,« (sagt’ er) »sie sollte das Gesicht nur nachts im Bette auf oder an der Hand haben, damit es aussähe, als küßt’ er ihr durch die ganze Novembernacht die Hand.« –
    Ich fahre in meinem pragmatischen Auszuge aus diesem Belagertagebuch fort und finde am Leopoldstag aufgezeichnet, daß Joachime schon vormittags sagte, sie würde ihrem Papagei, wenn sie ihm einen Sprachmeister hielte, nichts aus dem ganzen Diktionär beibringen lassen als das Wort: perfide! »Jeder Liebhaber«, sagte sie, »sollte sich ein Papchen halten, das ihm unaufhörlich zuriefe: perfide!« – »Die Damen«, sagte mein Held, »sind allein schuld: sie wollen zu lange, oft ganze Wochen, ganze Monden geliebt werden. Dergleichen ist über unsre Kräfte. Haben nicht die Jesuiten sogar die Liebe zu Gott periodisch gemacht ? Skotus schränkt sie auf den Sonntag ein – andre auf die Festtage – Coninch sagt: es ist genug, wenn man ihn alle vier Jahre einmal liebt – Henriquez setzt noch ein Jahr dazu – Suarez sagt gar: wenns nur vor dem Tode ist – – Manchen Damen fielen bisher die Zwischenzeiten anheim; aber die Tag-, die Jahr-, die Festzeiten, die Verlobung-, die Begräbnistage bilden ebensoviel verschiedene Sekten unter den Jesuiten der Liebe.« – Joachime machte den Anfang zu einer zürnenden Miene. Der Hofmedikus hatte nichts lieber mit Schönen als Zank und setzte dazu: »C’est à force de se faire hair qu’elles se font aimer – c’est aimer que de bouder – ah que je Vous prie de Vous facher! « – Seine Laune hatte ihn über das Ziel getrieben – Joachime hatte recht genug, seine Bitte um ihren Zorn zu erfüllen – er wollte den Zank fortsetzen, um ihn beizulegen – da es aber doch Fälle gibt, wo die Vergrößerung einer Beleidigung ebensowenig Vergebung verschafft als die stufenweise Zurücknahme derselben: so tat er klug, daß er ging.
    Er wunderte sich, daß er den ganzen Tag an sie dachte: das Gefühl, ihr unrecht getan zu haben, stellte ihr Gesicht in einer leidenden Miene vor seine erweichte Seele, und alle ihre Züge waren auf einmal veredelt. Tacitus sagt: man hasset den andern, wenn man ihn beleidigt hat; aber gute Menschen lieben den andern oft bloß deswegen.
    Am Tage darauf, am Ottomars-Tage – Ottomar ! großer Name, der auf einmal den langen Leichenzug einer großen Vergangenheit im Finstern vor mir vorüberfährt – sah er sie ernsthaft, ihn weder suchend noch fliehend. Die zwei Narren blieben in ihren Augen die zwei Narren und gewannen durch nichts etwas. Da er also gewiß bemerkte, daß aus einem flüchtigen Grollen wahre Reue über ihre bisherige Offenheit geworden war, von der er einen zu freimütigen Gebrauch und eine zu eigennützige Auslegung gemacht zu haben schien: so war es jetzo seine Pflicht, das, was er bisher aus Scherz getan hatte, im Ernste zu tun, nämlich sie aufzusuchen und auszusöhnen.
    Aber sie stand immer an der Fürstin, und es war nichts.
    Ich hab’ es nicht selber gesagt, weil ich wußte, der Leser seh’ es ohne mich,

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