Saemtliche Werke von Jean Paul
durchschossenen Schreibkalendern daherwandelt – so daß ich besonders den armen Büsching beweine, sooft ich ihn nur schreiten sehe, da den guten topographischen Last- und Kreuzträger ganz Deutschland (von dem ich etwas anders erwartet hätte), jeder Amtmann, jeder dumme Schultheiß (bloß wir Scheerauer sattelten ihn nicht) gleich einer Pfänderstatue von der Kniekehle bis ans Nasenloch (der gute Mann ist kaum zu sehen, und mich wunderts nur, wie er auf den Füßen verbleibt) umhangen, besteckt und eingebauet hat mit allen verdammten Teufels-Wischen – mit Dorfinventarien – mit Intelligenzblättern – mit Wappenwerken – mit Flurbüchern und perspektivischen Aufrissen von Schweinställen.
Sie haben sogar den Jean Paul – damit ich nur von mir selber ein Beispiel des deutschen Foliierphlegma erzähle , wiewohl ich eben dadurch eines gebe – angesteckt: ists nicht eine alte Sache, daß er das Blau der schönsten Augen, in die je ein amoroso geblickt, vermittelst eines Saussureschen Cyanometers genauer nach Graden angegeben und die schönsten Tropfen, die aus ihnen während der Messung fielen, richtig genug mit einem Taumesser ausvisiert hat? – Und hat nicht sein Versuch, die weiblichen Seufzer mit dem Stegmannischen Luftreinigkeitmesser einzufangen und zu prüfen, unter uns mehr als zuviel Nachahmer gefunden? – –
Woche des 22. Post-Trinitatis oder vom 3. Nov. bis 11. (exclusive)
Diese Woche versaß er fast ganz beim Minister: manche Menschen kommen, wenn sie nur viermal in einem Hause waren, dann wie das tägliche Fieber täglich wieder, anfangs wie die Lenzsonne jeden Tag früher, dann wie die Herbstsonne jeden Tag später. Er sah wohl, daß er bei dieser Hof- und Ministerialpartie nichts niederlegen könne, weder ein Geheimnis, noch Vermögen, noch ein Herz, weil sie ehrlichen Gerichtstellen gleichen würde, die – so wie die Mönche ihr Eigentum ein Depositum nennen und sagen, nichts gehöre ihnen – umgekehrt jedes Depositum zu einem Eigentum erheben und sagen, alles gehöre ihnen. Aber er machte sich nichts daraus: »Ich komme ja nur zum Spaße,« (dacht’ er) »und mir ist nichts anzuhaben.« – Der Minister, dem er bloß über der Tafel begegnete, hatte gegen ihn alle die Höflichkeit, die mit einem persiflierenden Gesicht und mit einem die Welt in Spionen und in Diebe einteilenden Stande zu verbinden ist; aber Sebastian merkte doch, daß er ihn für einen Halbkenner in der Medizin und in den ernsthaften Wissenschaften – als wären nicht alle ernsthaft – ansehe und für einen Eingeweihten bloß im Witz und schönen Wissen. Jedoch war er zu stolz, ihm eine andere als die leere Neumondseite zuzukehren, und verbarg alles, was ihn bekehren konnte. Daher mußte sich Viktor bei dem dümmsten Kanzleiverwandten, ders gesehen hätte, dadurch um alle Achtung bringen, daß er, wenn der Minister mit seinem Bruder, dem Regierpräsidenten, ein interessantes Gespräch über Auflagen, Bündnisse, über die Kammer anspann, entweder nicht aufmerkte, oder fortlief, oder die Weiber aufsuchte. – Auch liebte er am Fürsten nur den Menschen; der Minister nur den Fürsten. Viktor konnte bei Jenner selber über die Vorzüge der Republiken Reden halten, und dieser hätte oft im Enthusiasmus (wenn die Reichgerichte und sein Magen es verstattet hätten) gern Flachsenfingen zum Freistaat erhoben und sich zum Präsidenten des Kongresses darin. Aber der Minister haßte dies tödlich und klebte allen politischen Freidenkern – einem Rousseau – allen Girondisten – allen Feuilants – allen Republikanern – und allen Philosophen den Namen Jakobiner auf, wie die Türken alle Fremde, Briten, Deutsche, Franzosen etc., Franken nennen. Indes war dieses eine Ursache, warum Viktor Matzen, der besser hierüber dachte, jetzo lieber gewann; und warum er von dem Vater zu der Tochter floh.
Bei Joachimen gelangen in dieser Woche seine Gnadenmittel: sie gab dem feinen und wohlriechenden Narren-Dualis, wie wir der Tugend , nur das Akzessit, und meinem Helden, wie wir der Neigung , die Preismedaille. Da er aber bloß eine gewisse Empfindsamkeit am meisten in der Freundschaft und Liebe achtete: so hätt’ er, dacht’ er, mit dieser Schäkerin durch den Mond reisen können, ohne für sie (aber wohl über sie) zu seufzen – aber diese Lustigen, mein Bastian, haben den Henker gesehen; denn wenn sie etwas anders werden, dann wird mans auch mit. Sie sagte ihm, sie wolle gefallen wie ein lutherisches Heiligengemälde, aber sie
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