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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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drückte mein Held seine Achtung für das ganze Geschlecht mit einer Wärme aus, die sich das Einzelwesen zueignete; – auch brachte seine beliebte Gesamtliebe, ferner sein in der Trauer über ein verlornes Herz schwimmendes Auge und endlich seine wärmende Menschenfreundlichkeit ihm eine Aufmerksamkeit von Joachimen zuwege, welche die seinige in dem Grade erregte, daß er sich das nächstemal zu untersuchen vornahm, was dran wäre. – –
    Das nächste Mal war bald da. Sobald ihm die Ankunft der Fürstin vom Apotheker geweissagt war – denn der war für die kleine Zukunft des Hofs ihm seine Hexe zu Endor und Kumä und seine Delphische Höhle –, so ging er hin; denn er fuhr nicht hin. »Solang’ es noch einen Schuhabputzer und ein Stein-Pflaster gibt,« sagt’ er, »fahr’ ich nicht. Aber von vornehmern Leuten wunderts mich, daß sie noch zu Fuß reisen von einem Flügel des Palasts in den andern. Könnte man nicht, so wie die Pennypost für eine Stadt, ein Fuhrwerk für seinen Palast einführen? Könnte nicht jeder Sessel ein Tragsessel sein, wenn eine Dame die Alpenreise von einem Zimmer ins andere weniger scheuete? Und verschiedene Weltumseglerinnen würden es wagen, eine Lustreise durch einen großen Garten zu machen in einer zugesperrten Sänfte.« – Viktor reisete gerade durch einen, nämlich den Schleunesschen: es war noch zu hell und zu schön, um sich wie Nähkissen an die Spieltische zu schrauben. Er sah darin eine kleine bunte Reihe gehen und Joachimen darunter. Er schlug sich zu ihnen. Joachime bezeugte eine malerische Freude über die Wolken-Gruppierung, und es stand ihren schönen Augen gut, wenn sie sie dahin hob. Da man nichts Gescheites zu reden hatte: suchte man etwas Gescheites zu tun, sobald man ans Karussell ankam. Man setzte sich darauf und ließ es drehen. Viele Damen hatten gar den Mut nicht, diese Drehscheibe zu besteigen – einige wagten sich in die Sessel – bloß Joachime, die ebenso verwegen als furchtsam war, beschritt das hölzerne Turnierroß und nahm die Lanze in die Hand, um die Ringe mit einer Grazie wegzuspießen, die schönerer Ringe würdig war. Aber um sich nicht dem Abwerfen des Dreh-Rosinante bloßzugeben, hatte Joachime meinen Helden wie ein Treppengeländer an sich gestellt, um sich an ihn in der Zeit der Not anzuhalten. Die Achsebewegung wurde schneller und ihre Furcht größer; sie hielt sich immer fester an, und er faßte sie fester an, um ihrer Anstrengung zuvorzukommen. Viktor, der sich auf die Taschenspielerkünste und den Hokuspokus der Weiber recht gut verstand, fand sich leicht in Joachimens Wieglebische natürliche Magie und »Trunkus Plempsum Schallalei«; noch dazu war das wechselseitige Andrücken so schnell hin- und hergegangen, daß man nicht wußte, hatt’ es einen Erfinder oder eine Erfinderin….
    Da sie jetzt alle im Zimmer sind und ich allein im Garten stehe neben der Roßmühle: so will ich darüber geschickt reflektieren und anmerken, daß die Großen, gleich den Weibern, den Franzosen und den Griechen, große – Kinder sind. Alle große Philosophen sind das nämliche und leben, wenn sie sich durch Denken fast umgebracht haben, durch Kindereien wieder auf, wie z. B. Malebranche tat; ebenso holen Große zu ihren ernstern edeln Lustbarkeiten durch wahre kindische aus; daher die Steckenpferd-Ritterschaft, die Schaukel, die Kartenhäuser (in Hamiltons mémoires), das Bilderausschneiden, das Joujou. Mit dieser Sucht, sich zu amüsieren, steckt sie zum Teil die Gewohnheit an, ihre Obern zu amüsieren, weil diese den alten Göttern gleichen, die man (nach Moritz) nicht durch Bußen, sondern durch fröhliche Feste besänftigte.
    Da er mit der ganzen Theatergesellschaft des Ministers bekannt war, und zweitens, da er kein Liebhaber mehr war – denn dieser hat tausend Augen für eine Person und tausend Augenlider für die andern –: so war er beim Minister nicht verlegen, sondern gar vergnügt. Denn er hatte da doch seinen Plan durchzusetzen – und ein Plan macht ein Leben unterhaltend, man mag es lesen oder führen .
    Es mißlang ihm heute nicht, ziemlich lange mit der Fürstin zu sprechen, und zwar nicht vom Fürsten – sie mied es –, sondern von ihrem Augenübel. Das war alles. Er fühlte, es sei leichter, eine übertriebene Achtung vorzuspiegeln, als eine wahre auszudrücken. Die Besorgnis, falsch zu scheinen, macht, daß man es scheint. Daher sieht bei einem Argwöhnischen ein Aufrichtiger halb wie ein Falscher aus. Indessen war bei

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