Saemtliche Werke von Jean Paul
Die Frau hingegen macht kleinere Wahrheiten – z. B. es muß morgen weggefahren, eingeladen, gewaschen werden etc. – zu notwendigen Wahrheiten, die ohne die Assekuranz und Reassekuranz der Gründe angenommen werden müssen – und dies ists eben, was ihr einen solchen Schein von Gründlichkeit anstreicht. – – Ihnen wird es leicht, sich vom Philosophen zu unterscheiden, der denkt, und dem die Wahrheitsonne so waagrecht in die Augen flammt, daß er darüber weder Weg noch Gegend sieht. Der Philosoph muß in den wichtigsten Handlungen, in den moralischen, sein eigner Gesetzgeber und Gesetzhalter sein, ohne daß ihm sein Gewissen die Gründe dazu sagt. Bei einer Frau ist jede Neigung ein kleines Gewissen und hasset Heteronomien und sagt weiter keine Gründe, so gut wie das große Gewissen. Und durch diese Gabe, mehr aus eigner Machtvollkommenheit als aus Gründen zu handeln, passen eben die Weiber recht für die Männer, weil diese lieber ihnen zehn Befehle als drei Gründe geben.
Ende des Extrablattes darüber
Was ebenso schlimm war, ist, daß Joachime ihm endlich, um nur seine Aktenstöße von Beschwerden und Reichs-gravaminibus wegzubringen, die Finger ließ, ohne nur den geringsten Grund dazu zu sagen. Er konnte also keinen Titel seines Besitzstandes aufweisen und hätte im Notfall niemand gehabt, der ihn darin schützen können.
Es ist aber eine gegründete Rechtsregel oder ein männliches Brokardikon: daß alles bei den Weibern fester werde, wenn man darauf bauet, und daß uns eine kleine gestohlne Gunst rechtmäßig gehöre, sobald wir um eine größere anhalten. Die Rechtsregel gründet sich darauf, daß die Mädchen uns, wie den Juden im Handel, allemal die Hälfte abbrechen und nur ein paar Finger geben, wenn wir die Hand haben wollen. Hat man aber die Finger: so tritt ein neuer Titel aus den Institutionen ein, der uns die Hand zuerkennt; die Hand gibt ein Recht auf den Arm, und der Arm auf alles, was daran hängt, als accessorium. So müssen diese Dinge betrieben werden, wenn Recht Recht bleiben soll. Es muß überhaupt von mir oder von einem andern ehrlichen Mann ein kleines Lesebuch geschrieben werden, worin man dem weiblichen Geschlecht die Modos (Arten), solches zu akquirieren (zu erwerben), mit der juristischen Fackel vorträgt und aufhellt. Viele Modi kommen sonst ab. So bin ich z. B. nach dem bürgerlichen Rechte rechtmäßiger Besitzer einer beweglichen Sache, wenn sie vor dreißig Jahren gestohlen worden (im Grunde sollt’ es eher sein, und es sollte mir nichts schaden, daß man später zu stehlen angefangen) – ebenso fällt mir durch eine Verjährung von dreißig Minuten (die Zeit ist relativ) alles von einer Schönen rechtmäßig anheim, was ich ihr Bewegliches (und an ihr ist alles beweglich) entwendet, und man kann daher nicht früh genug zu stehlen anfangen, weil sonst vor dem Diebstahl die Verjährung nicht anheben kann.
Spezifikation ist ein guter Modus. Nur muß man wie ich ein Prokulejaner sein und glauben, daß eine fremde Sache dem, der ihr eine andre Form erteilt, zugehöre, z. B. mir die Hand, die ich durch den Druck in eine andre Form gebracht.
Der sel. Siegwart sagte: confusio (Vermischung der Tränen) ist mein Modus. Aber commixtio (Vermischung trockner Sachen, z. B. der Finger, der Haare) ist jetzt fast unser aller modus acquirendi.
Ich wollt’ einmal die ganze Sache nach der Lehre von den Servituten, wo eine Frau tausend Dinge zu leiden hat, behandeln (wiewohl alle diese Servituten durch die Konsolidation der Ehe gänzlich erlöschen); aber ich weiß die Lehre von den Servituten selber nicht mehr recht und wollte lieber darin examinieren als examiniert werden. – –
Ich kehre zum Medikus zurück. Da er also wußte, daß eine geküßte Hand ein Schenkbrief der Wangen ist – die Wangen aber die Opfertafeln der Lippen sind – diese der Augen – die Augen des Halses –: so wollt’ er genau nach seinem Lehrbuch verfahren. Aber bei Joachimen, wie bei allen Gegenfüßlerinnen der Koketten, bahnte keine Gunstbezeugung der andern den Weg, nicht einmal die große der kleinen – aus einem Vorzimmer kam man ins andre – und was sagte mein Held dazu? Nichts als: »Gottlob! daß eine besser ist, als sie schien, daß sie unter dem Schein, unser Spielzeug zu sein, unsere Spielerin ist, und daß sie die Koketterie zum Schleier der Tugend macht.«
Er fühlte jetzt, sooft ihr Name erwähnt wurde, eine sanfte Wärme durch seinen Busen wehen.
Vom Ende des
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