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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Gefühlen ungesehen nachzuhängen. Wär’ er in einem bürgerlichen Hause gewesen: so hätte er unverspottet jetzt zu den ausgepackten Kleidern und in die künftigen Zimmer Klotildens gehen können – und er hätte gleichsam die grünen Fluren von Maienthal wieder erblickt, wenn er die romantischen Gewänder, worin Giulia sie durchstreifet hatte, unter den letzten Küssen der Schwester hätte verschließen sehen – – Aber in einem solchen Hause wars eine Unmöglichkeit.
    Er verzieh jetzt, da er seltener den Genuß der fremden Empfindsamkeit hatte, sogar das Übertreiben derselben leicht. Daß sie den Körper zerrütte, war ihm der elendeste Einwand, weil ihn ja alles Edlere, jede Anstrengung, alles Denken aufreibe; der Körper und das Leben wären ja nur Mittel, aber kein Zweck. »Giulias Herz in Giulias Körper«, sagte er, »ist ein reiner Tautropfe in einem weichen Blumenkelch, den alles zerdrückt, verschüttet, aussaugt, und der noch vor der Mittagsonne entflohen ist; solche für eine Welt voll Sturm zu biegsame Seelen, die zu viel Nerven und zu wenig Muskeln haben, verdienen ihrer Empfindsamkeit wegen das einfressende Salz der Satire nicht, das sie wie Schnecken zernagt – die Erde und wir können ihnen wenig Freuden geben, warum wollen wir ihnen die andern nehmen?«
    Aber die Trauerzüge, die jetzt das Mitleid durch Joachimens Lächeln zog, drückten sich deutlich in Viktors Herzen ab, und das, was sie hier verbergen wollte, machte sie reizender als alles, was sie je zu zeigen gesucht.
    Nichts ist gefährlicher – wie er vor einigen Wochen getan –, als sich verliebt zu stellen: man wirds sogleich darauf. So war der Weichling Baron einige Tage, wenn er einen Helden von Corneille gespielet hatte, selber einer. So starb Moliere am eingebildeten Kranken und Karl V. am Probe-Begräbnis. So machte die papierne Krone, die Cromwell in einem Schuldrama aufbekommen hatte, ihn auf eine härtere begierig. – Die zweite Lehre, die daraus zu lernen ist (diese setzt aber freilich voraus, Joachime war eine Kokette), ist die: daß ein Held die Koketterie wahrnehmen und doch hineintappen könne; ein Poet sitzt wie die Nachtigall (der er an Gefieder, Kehle und Einfalt ähnelt) oben auf dem Baume und sieht die Falle stellen und hüpft hinunter und – hinein.
    Nach einigen Tagen – als in Viktor die Frage über Joachimens Wert und über seine Liebe wie eine Woge auf- und ablief; als er schlecht mit Flamin, gut mit der Fürstin und besser mit dem Fürsten stand, der jeden Tag nachfragte, wenn Klotilde käme – kam sie.

23. Hundpostta g
     
    Erster Besuch bei Klotilde – die Blässe – die Röte – die Renn-Wochen
    »Ja, das gesteh’ ich,« – sagte Viktor, der am andern Tage nach Klotildens Ankunft in seiner Stube umherlief – »in ein Gewitter oder in ein stürmendes Meer säh’ ich herzhafter als in das kleine Gesicht, in einen heitern Himmel von drei Nasenlängen.« Aber er half sich dadurch, daß er einen abgerissenenen Fortissimo-Akkord auf dem Klavier anschlug: dann konnte er zu Klotilden. Bloß unterwegs sagte er: »Nirgends wird so viel gezankt als in einem Menschen – Welcher Teufelslärm in diesem fünfschuhigen Disputatorium über den geringsten Bettel, bis nur aus einer Bill eine Akte wird! – Ein tragbarer Nationalkonvent in nuce ist man, ich kann keinen Schritt tun, ohne daß erst die rechte und linke Seite darüber haranguieren, und die enragés und die noirs, und der Herzog von Orleans und Marat. Das Abscheulichste ist im innerlichen Regensburger Reichstage des Menschen, daß die Tugend darin mit zehn Sitzen und einer Stimme sitzt, der Teufel aber mit einem Steiße und sieben Stimmen.« –
    Durch diese lustigen Selbergespräche wollt’ er sich vom Anblick seiner verworrenen, verstockten, kalt-wunden , immer Joachimen zu Klotilden hinaufhebenden Seele entfernen. Er wurde endlich bloß durch den tugendhaften Entschluß wieder rein ausgestimmt, jetzt die Liebe zu Joachimen nicht zu verstecken – »sich ihrer nicht zu schämen «, hätt’ er bald gedacht. »Wenn ich mich gegen Joachime wärmer, und gegen die andre kälter stelle , als ich etwa bin: so müßte der Teufel sein Spiel haben, wenn ichs nicht endlich würde .«
    Der hatt’ es aber eben, und zwar ein wahres L’hombrespiel zu vier Personen mit dem mort: dieser Croupier hatte die einzige Volte geschlagen, daß er das Gesicht Klotildens mit einer ganz andern Farbe ausspielte, als er in Le Bauts Schlosse getan. Viktor fand sie in

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