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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Nächte länger würden, und man also einen längern Schlaf bedürfe, so sei es schön, daß die Almanache gerade mit Winteranfang erschienen, und daß diese Blumen mit den Moosen zu einerlei Jahrzeit blühten – so könne man doch am murmelnden Bache in den Versen einschlafen, wenn das Murmeln und Schlafen auf der gefrornen Wiese nicht mehr gehe.« – –
    Unser Viktor war so satirisch wie der Evangelist; er hatte im Hannöverischen so gut wie dieser hier gelacht – z. B. er hatte beklagt, daß die meisten Almanachsänger leider mehr für den Kenner arbeiteten als für dumme Leser und schon zufrieden wären, wenn sie nur jenen in den Schlaf versetzten – daß ein Mensch, der keine Prose schreiben könnte, versuchen sollte, ob er zu keinem Volksänger tauge, wie nur die Vögel, die nicht reden lernen, singen können – daß er einen guten Almanach am ersten und angenehmsten durchbringe, wenn er bloß die Reime durchlaufe – und daß flache Köpfe wie flache Diamanten, denen keine Facetten zu geben sind, zu Herzen würden und uns statt der Gedanken Tränen gäben, in denen nicht einmal das Aufgußtierchen eines Gedankens schwimme….
    Aber er sah noch eine Seite mehr als Matthieu, nämlich die edle. – Es war seine Gewohnheit, gerade diese vorzudrehen, wenn ein anderer nur die schlechte gewiesen, und umgekehrt. Seine Meinung war: »die Dichter wären nichts als betrunkene Philosophen – wer aber aus ihnen nicht philosophieren lerne, lern’ es aus Systematikern ebensowenig – die Philosophie mache nur die Silberhochzeit zwischen Begriffen, die Dichtkunst aber die erste – leere Worte geb’ es, aber keine leere Empfindungen – der Dichter müsse, um uns zu bewegen, bloß alles Edle zum Hebel nehmen, was auf der Erde ist, die Natur, die Freiheit, die Tugend und Gott; und eben die Zauberstäbe, die magischen Ringe, die Zauberlampen, womit er uns beherrsche, wirken endlich auf ihn selber zurück.« –
    Er legte diese Meinung – als Matthieu die seinige und Joachime ihre eigne vorgetragen, daß nämlich ihr an den Musenalmanachen wenigstens zwei oder drei Blätter gefielen, nämlich die glatten Pergamentblätter – viel kürzer vor; – die Ministerin war der seinigen (denn sie war selber eine Versifexin); – der Kammerherr sagte, »jede Stadt und jeder Fürst bete ja die Dichter in eignen Tempeln an – nämlich in den Schauspielhäusern«; – Klotilde durfte sich nun zu den Siegern schlagen: »Wenn man im Januar einen Dichter lieset, so ists so lieblich, als wenn man im Junius spazieren geht. – Ich kann weder Philosophen noch Gelehrte lesen; es bliebe mir« (sie wollte sagen: ihrem Geschlechte) »daher gar zu wenig, wenn man mir die lieben Dichter nähme.« – »Sie würden höchstens« (sagte endlich der Minister) »Ihre Schüler an ihnen finden; Dichter bekümmern sich, wie die Heiligen, wenig um die Welt und ihr Wissen; sie können den Staat besingen, aber nicht belehren.« – O du grinsende Mumie, dachte Viktor, ein Edelstein, den du nicht als einen Staatsbaustein vermauern kannst, ist dir weniger als ein Sandblock. Wenn du nur jede flammende, als eine Ergänzung der republikanischen Antiken dastehende Seele zu einem Unterschreiber, zu einem Zollkommisar oder Kammerfiskal einsetzen könntest (wie die Großkaiser die Ruinen zu Ställen und Pferdetränken verbauen)! – Der edle Matz fügte bloß hinzu: »In Rom war ein Maler, der mit jedem nur singend sprach; und ich kannte einen großen Dichter, der nicht einmal im gemeinen Leben Prose konnte; er konnte aber mehres nicht und hatte wenig Welt, aber viel Welten im Kopfe – er wird, wenn er sich drucken lässet, seinen Lesern kaum mehre Täuschungen geben, als ihm jeder schon gemacht hat, der wollte.« – – Viktor sah aus Klotildens gesenktem Auge, daß sie so gut wie er merke, daß der Teufel ihren Dahore meine; aber er schwieg; seine Seele war traurig und erbittert; aber er war längst durch den Hof die zu ertragen abgehärtet, die er hassen mußte.
    Unter dieser Disputation hatte der edle Matz die ganze Gruppe unvermerkt in schwarzem Papier nachgeschnitten. »Ach!« sagte Joachime, »das ist nicht das erstemal, daß er Gesellschaften schwarz abbildet.« – Da aber Viktor Silhouettengruppen niemals sehen konnte, ohne an uns zerrinnende Schatten-Menschen, an dieses versiegende Zwerg-Leben, an die auf das Leben gezeichneten Nachtstücke und an die Schattenpartien, die man Völker nennt, zu denken – und da ihn daran außer seiner

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