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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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nicht bricht, die längsten und härtesten Dornen hat, aber oben, wo man sie genießet, sich nur mit weichen und umgebognen verpanzert.
    Ich weiß nicht, ob es dir etwas Altes ist, daß Töchter ihren Müttern jede Wahrheit und alle Geheimnisse sagen; mir ists etwas Neues, und nur eine beste Tochter, wie Beata, kann es.
    Vor vierzehn Tagen erinnerte ich mich eines Fehlers von ihr nicht so schwach als heute, welcher der ist, daß sie zu wenig Freude an der – Freude und zu große an traurigen Phantasien hat. Es gibt zu weiche Seelen, die sich nie freuen können (so wie nie beleidigt fühlen), ohne zu weinen, und die ein großes Glück, eine große Güte mit einem seufzenden Busen empfangen. Wenn aber diese vor rohen Seelen stehen, die den verborgnen Dank und die stumme Freude nicht erraten können: so werden sie gezwungen, nicht Empfindung, aber den Ausdruck derselben vorzuheucheln. Beatens Vater will für jedes seiner Geschenke, deren Wert er bis zu Apothekergranen auswiegt, eine springende Freude; sie hingegen fühlt höchstens später darauf eine; die Erscheinung irgendeines lichten Glücks selber blitzet ihr auf einmal über alle traurige Tage hin, die wie Gräber in ihrer Erinnerung liegen. Auch an dieser Beata seh’ ichs wieder, daß der weibliche Leib und Geist zu zart und zu wallend, zu fein und zu feurig für geistige Anstrengung sind und daß beide sich nur durch die immerwährende Zerstreuung der häuslichen Arbeit erhalten; die höhern Weiber erkranken weniger an ihrer Diät als an ihren exzentrischen Empfindungen, die ihre Nerven wie den Silberdraht durch immer engere Löcher treiben und sie aus Fadennudeln in geometrische Linien zerdehnen. Eine Frau, wenn sie Schillers Feuerseele hätte, stürbe, wenn sie damit eines seiner Stücke machte, im fünften Akte selber mit nach.
    Ich verstehe deine verliebte Fragartikel recht gut: freilich steigt der geheime Legationrat von Oefel hier oft aus. Er scheint zwar keine zärtlichern Geschäfte hier zu haben als kaufmännische und vom Kommerzien-Agenten nichts verschrieben zu fodern als Pfeffer für Zeylon und Muskatnüsse für Sumatra, folglich seine Tochter und ihre Güter am allerwenigsten. – Desgleichen ist die Ministerin , dieser Zoll- und Almosenstock voll männlicher Herzen, zwar auch mit da und hat Oefels angeöhrtes oder gehenkeltes schon an ihren Reizen hängen; aber der Teufel trau’ geheimen Legationräten, zumal Oefeln. Ich sage dir, er mag Beaten kapern oder nicht, so wundert mich jedes. Du wirst dich freilich damit trösten, lieber Jean Paul, daß du erstlich größere Reize hast als er und zweitens gar nicht weißt, daß du die Reize hast, welches in der Konversation viel tut. Es ist wohl etwas daran; denn Oefel will nicht sowohl gefallen als bloß zeigen, daß er gefallen könnte, wenn er nur wollte, und er erlaubt sich daher alle Launen, bloß damit man etwas zu tadeln und zu vergeben und er gutzumachen habe; er ist auch – weil ein Hofmann und ein Demant außer der Härte noch reine Farbenlosigkeit haben müssen, um fremde Farben und Lichter treuer nachzustrahlen – sogar zu einem Hofmann zu eitel und kauft sich mit fremder Gunst nur seine eigne. Ich will dich mit noch mehr ›Zwars‹ trösten, bis ich meine Aber hole. Beata sieht zwar aus, als ob sie sich alle Minuten frage: ›warum bewunder’ ich ihn nicht?‹; die Ministerin sieht aus, als ob sie jene alle Minuten frage: ›warum beneidest du mich nicht, da mein Lehnmann ein Forte-Piano mit hundert Zügen und Tritten ist wie ich selber?‹ – denn er behält keine Stellung und kann sich in jede wagen; jede Bewegung scheint aus der andern herzufließen; seine Seele ändert ebenso spielend wie der Körper die Positionen und biegt sich, wie ein Springbrunnen bei Wind, in die entlegensten Materien hinüber; ihn macht nichts irre, er jeden; er weiß hundert Eingänge zu einer Predigt, fängt an, um anzufangen, bricht ab, um abzubrechen, und weiß selber nicht eher als seine Zuhörer, was er will – – kurz es ist ein Nebenbuhler, lieber Paul! – Ich kann jetzt das versprochene Aber nicht recht hereinbringen.
    Aber obgleich meine schöne Patientin ihn so kalt überblickt wie einen, der uns ein Kleid anprobiert, so setzt er doch das Gegenteil voraus und wirft Leuchtkugeln zu seiner Erhellung und Dampfkugeln zu ihrer Verfinsterung in sie und sticht schon im voraus die Münzstempel für seine künftige Eroberung-Medaillen. – Männer oder Männchen wie Oefel haben einen solchen

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